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Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Titel: Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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sich vielleicht um einen alten Brunnenschacht?“
    „Kein Brunnen“, meinte der Junge einsilbig, um erneut mit dem Kopf herumzufahren, als Antoine seinem Kontrahenten lautstark vorwarf, dass dieser womöglich höher furze, als sein Arsch hänge -, was kreischendes Gejohle auslöste.
    „Bist du von hier? Wie heißt du?“, fragte der Architekt, als wieder Ruhe eingekehrt war.
    „Jacques“, antwortete der junge Mann leise. „Die Gänge gibt es, aber Näheres weiß ich nicht“, und noch bevor ihn Viollet-le-Duc fragen konnte, ob er auf Arbeitssuche sei, stand der Junge auf und setzte sich wieder hinüber zu seinen Freunden. Sofort wurde am Tisch ausgiebig gemurmelt.
    Aufgewühlt, jedoch ohne sich seinen Gemütszustand anmerken zu lassen, blieb der Architekt sitzen. Unterirdische Gänge? Hatte der Junge geprahlt oder gab es sie tatsächlich? Jeder, der sich mit der Historie dieser Stadt beschäftigte – allen voran Jean-Pierre – kannte das Gerücht um diese Gänge. Aber jeder verwies sie zugleich in das Reich der Legende. Und nun behauptete Jacques, als Kind dort gespielt zu haben? Der Architekt bestellte sich einen weiteren Krug Roten, obwohl er wusste, dass Jean-Pierre und seine Frau mit dem Abendessen auf ihn warteten. Es dauerte nicht lange, und der Junge stand auf und ging. Von den anderen unbeobachtet, drehte er sich jedoch am Ausgang noch einmal nach Viollet-le-Duc um und grüßte ihn stumm.
    Eugène zählte bis Zehn, warf dann ein paar Münzen auf den Tisch, rollte die Pläne zusammen und lief ihm hinterher. Irgendwo klapperte ein Laden im Wind. Einer der zahlreichen Hunde, die die Cité unsicher machten, sprang herbei und beschnupperte ihn. Viollet-le-Duc spähte nach rechts und nach links, doch von Jacques war nichts zu sehen. Enttäuscht trat er den Heimweg an. Es wurde bereits dunkel, die Schatten verdichteten sich. Er war noch nicht bei Jean-Pierres Haus angelangt, als der Gesuchte unvermittelt aus einer schmalen Seitengasse heraus auf ihn zutrat. Der Architekt blieb stehen, strich sich über den Bart und sah ihn auffordernd an. „Hast du auf mich gewartet?“
    Jacques nickte. „Man sagt, … Ihr könntet gute Arbeiter gebrauchen, Herr Architekt?“
    Eugène freute sich. „Mehr als einen“, antwortete er, „Voraussetzung sind Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Letzteres vor allem. Ich kann niemanden gebrauchen, der nach zwei Tagen alles hinwirft, nur weil seine Freunde schlecht über mich reden!“ Sie wurden rasch handelseinig. Jacques, der noch zwei arbeitslose jüngere Brüder zuhause sitzen hatte, würde mit ihnen am Montag um sechs Uhr vor der Kathedrale stehen. Der junge Mann wollte sich gerade verabschieden, als ihn der Architekt am Arm zurückhielt. „Hier sind wir unter uns, Jacques“, sagte er, „und können offen reden. Wie war das mit den unterirdischen Gängen? Kannst du sie wiederfinden?“
    Jacques zuckte die Achseln. „Vielleicht. Der Zugang befindet sich im Turm hinter der alten Schlosskapelle. Doch damals sah es überall ganz anders aus!“
    „Hast du Zeit heute Nacht?“, fragte ihn der Architekt mit glänzenden Augen. Die Müdigkeit war wie weggeblasen. „Ich verspreche dir einen Extralohn, bar auf die Hand, doch die Suche muss unter uns bleiben, verstanden?“
    Jacques schlug ein, und sie verabredeten einen Treffpunkt.
    Sie waren zu dritt: Jean-Pierre hatte es sich nicht nehmen lassen, Viollet-le-Duc zu begleiten. Mit Sturmlampen, Spitzhacke, Seilen und einer hohen Leiter bewaffnet, kletterten sie zuerst über eine der noch begehbaren Hurden in den halb zerfallenen Turm Charpentière , der sich in der Nähe des Schlosses befand. Dort hatten sich im 13. Jahrhundert – erst kürzlich war eine Inventarliste entdeckt worden – die unterschiedlichsten Kriegsmaschinen befunden, wie die berühmten „Trebucas“ der Okzitanier, andernorts „Trebuchets“ genannt, und weiteres Belagerungsgerät, dazu Gerüste, Leitern, Gegengewichte, Baugeräte, sowie die Gerätschaften für die Turniere des ehemaligen Vizegrafen Trencavel: Wimpel, Masten, Zelte, Umzäunungen und das große Podium. Jetzt lag nur noch allerlei Unrat in den Ecken des Turmes, obendrein stank es fürchterlich nach Fledermaus- und Taubenkot. Dort hielten sie inne und studierten die Pläne. Den Kapellenturm zu erreichen, von dem Jacques gesprochen hatte, war tatsächlich schwierig. Überall im engeren Schlossbereich sah es gleichermaßen wüst aus.
    Jean-Pierre schlug vor, es über den Degré -Turm zu
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