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Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Titel: Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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roch, konnte sie nichts. Armut roch immer. Erst gestern hatte er seiner Frau nach Lausanne geschrieben: „Ich verbringe den ganzen langen Tag inmitten alter Weiber, die beichten kommen und sich nicht genieren, mir ihre Flöhe zu übertragen …“ Die alten Frauen erschienen täglich, obwohl die Kathedrale – während der Revolution als Scheune benutzt – noch immer in einem bedauernswerten Zustand war. Als er an der Seite von Prosper Mérimée die Abteikirche von Vézelay restauriert hatte, war es nicht anders gewesen. Die Frauen ignorierten die Leitern, Kalksäcke und Farbkübel, es störte sie auch nicht, dass sie niesen mussten, wenn ihnen der Geruch des Terpentins in die Nase stieg, sie kamen, beteten, bekreuzigten sich, flüsterten eine Weile miteinander und gingen dann wieder ihrer Wege, so wie sie es immer gehalten hatten. Dem guten Jean-Pierre Cross-Mayrevieille, in dessen Haus Viollet-le-Duc seit Beginn der Restaurierung wohnte, waren Tränen in den Augen gestanden, als er erzählte, dass die Einwohner der Cité vor gut fünfzig Jahren die alten Archive der Stadt gefunden und dann in einem Freudenfeuer verbrannt hätten. Die Archive der Stadt! Mein Gott, was hätten er und Jean-Pierre nicht dafür gegeben, sie studieren zu dürfen! Zumindest hatte Jean-Pierre durch zähes Verhandeln erreicht, dass der Erlass der Obrigkeit, Carcassonne endgültig abzureißen, aufgehoben wurde. Im anderen Fall wäre alles zu spät gewesen!
    Nun, man würde sehen, wie es weiterging mit der Cité. Eugène war zuversichtlich. Die „Verwaltung der schönen Künste“, die man inzwischen gegründet hatte, stand ganz auf seiner und Jean-Pierres Seite. Als er auf dem Heimweg an einem der besser erhaltenen Fachwerkhäuser vorbeikam, es handelte sich um das ehemalige Heim eines adligen Burgvogtes, in dem sich nun die Taverne „Zum Trencavel“ befand, schallten laute Stimmen und Gelächter auf die Gasse heraus.

    Viollet-le-Duc zögerte, betrat aber dann forschen Schrittes die Gaststube. Es war ein dunkler, nicht ungemütlicher Raum. Im rauchgeschwärzten Kamin flackerte ein Feuer. „Der Fremde!“, hörte er jemanden raunen, worauf vier oder fünf Männer die Köpfe herumrissen und ihn anstarrten. Obwohl er sie freundlich grüßte, nickten sie nur kurz und wandten sich dann wieder dem Würfelspiel zu. Viollet-le-Duc bestellte beim Wirt ein Viertel vom einfachen Rotwein. Den Krug in der Hand, sah er sich suchend um. Da ihn niemand einlud, in der Runde der Spieler Platz zu nehmen, setzte er sich an einen Nebentisch, auf den ein wenig Tageslicht fiel. Er breitete die Pläne aus und studierte aufmerksam seine Zeichnungen, in der Hoffnung, dass jemand neugierig werden würde. Da war die Barbakane am Aude-Tor und dahinter das stolze Schloss der Trencavel, in alten Urkunden auch palatium genannt, das jedoch im 17. Jahrhundert als Gefängnis verwendet worden war – wie die Bastille in Paris. Nun diente es ein paar Beamten und Invaliden als Unterkunft. Viollet-le-Ducs List ging auf. Es dauerte keine Viertelstunde, bis sich einer der Jüngeren, ein dunkelhaariger, sympathischer Bursche, der dem Würfelspiel nur zugesehen hatte, erhob. Er dehnte und streckte sich, trat dann wie zufällig neben den Architekten und schaute ihm über die Schulter.
    „Setz dich, wenn es dich interessiert“, forderte ihn Eugène auf. „Willst du etwas trinken? Ich lade dich ein.“
    Der hagere Junge schüttelte den Kopf, murmelte etwas Unverständliches, doch nach einer Weile nahm er Platz. Viollet-le-Duc schob ihm den Plan zu, auf dem sich das Schloss befand, eine Festung innerhalb der Festung. Mit großer Aufmerksamkeit studierte der Junge den Aufriss des zehn Stockwerke hohen Pinto-Turmes, sorgfältig darauf achtend, dass er den Plan mit seinen schmutzigen Fingern nicht berührte.
    „Kennst du das Schloss von innen?“, fragte ihn Eugène, um ihn aus der Reserve zu locken.
    Der Junge nickte. „Hm. Wir haben dort als Kinder gespielt … in den unterirdischen Gängen“, antwortete er leise. „Bis jemand erschlagen wurde. Dann war es verboten.“ Am Nebentisch schwoll das Gelächter an. Einer der Spieler höhnte: „Was willst du denn mit einer Sieben, wenn ich bereits Zwölf habe“, worauf der Herausforderer schrie: „Halt`s Maul, Antoine, und wirf endlich!“
    Der Architekt stupste den jungen Mann, der sich neugierig zu seinen Freunden umgedreht hatte, an der Schulter. „Unterirdische Gänge, sagst du? Kannst du mir Näheres erzählen? Handelt es
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