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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume
Autoren: Judith McNaught
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brüllte ihr Vater. »Benutz die Lanze!«
    In diesem Moment wurde Royce klar, weshalb sie gekommen war - sie war hier, um die Aufgabe, die ihre Verwandten begonnen hatten, zu vollenden ... um ihm das anzutun, was er ihrem Bruder angetan hatte. Er beobachtete sie regungslos und sah, daß ihr wunderschönes Gesicht tränenüberströmt war. Sie bückte sich langsam, aber statt seine Lanze aufzuheben, nahm sie seine Hand in ihre und preßte ihre Lippen darauf. Royce dämmerte, daß sie vor ihm auf die Knie gefallen war, und ein Seufzer löste sich aus seiner Brust. »Liebling«, hauchte er schmerzerfüllt, umklammerte ihre Hand fester und versuchte sie, zum Aufstehen zu bewegen. »Nicht, tu das nicht...« Aber sie hörte nicht auf ihn. Vor siebentausend Zuschauern kniete Jennifer Merrick Westmoreland, Countess of Rockbourn, in unterwürfiger Haltung vor ihrem Gemahl, drückte ihr Gesicht an seine Hand und schluchzte. Als sie sich wieder erhob, gab es wohl kaum jemanden auf den Tribünen, der nicht beobachtet hatte, daß sie ihm gehuldigt und ihre Treue bewiesen hatte. Sie trat einen Schritt zurück, hob ihm das tränennasse Gesicht entgegen und straffte die Schultern.
    Stolz durchströmte Royce - irgendwie hatte sie es fertiggebracht, so erhaben und würdevoll zu bleiben, als wäre sie von einem König zum Ritter geschlagen worden.
    Gawin, der während dieser herzergreifenden Szene von Stefans eisernem Griff zurückgehalten worden war, stürzte zu seinem Herrn, sobald ihn die kräftige Hand losließ. Royce legte den rechten Arm um die Schulter seines Knappen und hinkte vom Feld.
    Sein mühsamer Abgang wurde von einem Jubel begleitet, der beinahe so laut war wie der, den er sich mit den Siegen über DuMont und MacPherson verdient hatte.
    Royce lag in seinem Zelt neben dem Turnierplatz und öffnete widerwillig die Augen, nachdem er sich innerlich gegen die Welle des Schmerzes gewappnet hatte, die ihn unweigerlich überspülen würde, wenn er das volle Bewußtsein wiedererlangte. Aber es gab keinen Schmerz.
    Der Lärm, der von draußen zu ihm drang, verriet, daß das Turnier noch in vollem Gang war, und er fragte sich benommen, wo sich Gawin herumtrieb. Plötzlich merkte er, daß jemand seine rechte Hand hielt. Er drehte den Kopf, und für einen Moment glaubte er zu träumen: Jennifer beugte sich über ihn -ein blendender Kranz von Sonnenstrahlen, die durch die offene Zeltklappe fielen, umgab sie wie ein Heiligenschein, und sie lächelte. In ihren wunderschönen blauen Augen lag so viel Zärtlichkeit, daß er wie verzaubert war. Ihre leise Stimme drang wie von weiter Ferne an sein Ohr. »Willkommen, Liebster.«
    In diesem Augenblick begriff er, warum sie ihm wie eine Lichtgestalt vorkam, und wußte auch, wieso er keine Schmerzen verspürte und sie so unglaublich liebevoll mit ihm umging. Laut und leidenschaftslos stellte er fest: »Ich bin gestorben.«
    Aber die Traumgestalt schüttelte den Kopf, setzte sich vorsichtig neben ihn auf das Bett und strich ihm lächelnd eine dunkle Strähne aus der Stirn, aber in ihren dichten Wimpern schimmerten Tränen. »Wenn du gestorben wärst«, neckte sie ihn, »dann wäre es an mir, auf den Turnierplatz zu reiten und meinen Stiefbruder zu besiegen.«
    Ihre Fingerspitzen fühlten sich kühl auf seiner Stirn an, und die Hüfte, die sich an seine Seite drückte, war ganz bestimmt menschlich. Vielleicht war sie doch kein Engel, und er war noch am Leben. »Wie würdest du das bewerkstelligen?« fragte er - es war ein Test, weil er herausfinden wollte, ob sie mit überirdischen Mitteln oder mit denen der Normalsterblichen kämpfen würde.
    »Nun«, sagte die Traumgestalt, beugte sich über ihn und strich mit den Lippen über seinen Mund, »einmal war ich schon erfolgreich auf dem Feld der Ehre ... ich habe das Visier hochgeklappt und dies gemacht ...« Royce schnappte nach Luft, als sie ihre Zungenspitze zeigte und er sie im nächsten Moment süß in seinem Mund spürte. Er war nicht tot. Engel küßten nicht auf diese Art. Er legte seinen gesunden Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, aber gerade als er ihren Kuß erwidern wollte, fiel ihm etwas ein, und er runzelte die Stirn. »Wenn ich nicht tot bin, warum tut mir dann nichts weh?«
    »Tante Elinor«, flüsterte sie. »Sie hat eine Arznei gebraut, und wir haben sie dir eingeflößt.«
    Die letzten Spinnweben, die sein Gehirn einhüllten, zerrissen, und mit einem glückseligen Seufzer küßte er Jenny mit einem Hunger, als könnte er
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