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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer
Autoren: Frances Fyfield
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›Du-weißt-schon-wer‹ – Jeanetta! – ist nicht abstoßend, du elende Sau!« Mary merkte nicht, daß sie brüllte.
    »Und überhaupt, wo ist sie? Sie ist nicht bei deiner Mutter.« Das Brüllen hatte keinerlei Wirkung auf ihn.
    »Hör mal«, erklärte er mit übertriebener Geduld, »ich bin mitten im Frühjahrsputz, ich muß jetzt weitermachen. Du mußt jetzt gehen. Ich muß dieses ganze Chaos beseitigen, ich kann es nicht ertragen, Katherine kann es nicht ertragen, dieses Durcheinander…«
    Mary sprang vom Stuhl auf und verpaßte ihm eine schallende Ohrfeige, in die alle Schuldlast und ein Gefühl steigender Hysterie schossen, so daß der Schlag auf seiner Wange rote Fingerstriemen hinterließ, wie ein Muttermal. Sie starrte böse auf ihn herab und sah mit Erstaunen, daß sein Blick leer wurde und umwölkt, als er sich mit der Hand an die gerötete Backe fuhr.
    »Nicht«, sagte er flehend. »Nicht, bitte.«
    »Wo ist deine verfluchte Tochter?« verlangte Mary mit einer Stimme, die sich zu einem drohenden Zischen senkte. Sie schob ihm ihr spitzes Gesicht dicht vor die Augen. Sein Blick irrte an ihr vorbei, über die grauen Müllsäcke an der Spüle hinweg und hinüber zu den Flügeltüren und zur Spielzimmertür.
    »Sag es ihr, Jeremy, mein Junge«, sprach er. »Sie möchte es wissen.«
    Der Kleine, der schließlich das Interesse an seinen Klötzchen verloren hatte, wankte mit sonnigem Lächeln von der Terrasse herein. Er trug seiner Tante drei Klötzchen und einen Schlüssel hin. Das Klingeln des Schlüssels am Ring war eine Quelle höherer Verzückung als jede Rassel. Er mochte den Schlüssel nicht hergeben.
    »Dann zeig es mir«, forderte ihn Mary auf.

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    Ich habe mich immer für das reinste Rechengenie gehalten – was für ein Witz –, und nun stellt sich heraus, daß ich nicht einmal zwei und zwei zusammenzählen konnte. So sehe ich das jetzt. Der Dienstag-abend, der einem sich schleppenden und wenig aufregenden Mittwoch vorausging, war einer der ersten, an dem ich mit nur geringen Mengen Alkohol im Blut ins Bett ging und mir gar nicht so sicher war, ob mir das gefiel. Nicht wegen des lieben, guten Sebastian – das war schön, und ihn morgens noch an meiner Seite vorzufinden, ge-hört, bei meiner derzeitigen Verunsicherung, eindeutig zu den ange-nehmeren Seiten des Lebens. Manchmal ist es besser, nicht nachzudenken. Und sich in den depressiven Nebel flüchten zu können, der sich auf die frühen Morgenstunden nach betrunkenen Nächten legt, hat Vorteile gegenüber dem Scharfblick der Nüchternheit. Zumindest ließen die Nachwehen eines Katers keinen Raum für anderes. Doch andere Sorgen weckten mich am Mittwoch wie heute auch, nämlich das Sodbrennen der Beobachtungen, die ich hatte machen müssen.
    Wir hätten niemals zu diesem blöden Abendessen gehen sollen! Wä-
    ren wir auch nicht, wäre da nicht der Druck der Verpflichtung gewesen, der von der sehr frühzeitig erhaltenen Einladung ausging und dem Wissen, daß sich nur ein kleiner Kreis versammeln würde und unser Nichterscheinen somit unangenehm auffallen müßte. Ganz habe ich meine Manieren noch nicht verlernt, einiger beginne ich mich allmählich wieder zu besinnen. Dann war da natürlich auch Mark, der darauf bestand, daß wir ihn alleine zu Hause ließen, weil er ganz froh war, die fürsorglichen Eltern mal vom Hals zu haben und sich auf einen längeren Fernsehabend freute, als wir es erlaubt hätten, den die Harrisons jedoch gestatten würden. Und Sebastian meinte auch, wir sollten. Also hatte ich ein Kleid aus dem Schrank gezerrt. Mit dem eigenen Ehemann auszugehen, hatte schließlich den Reiz des Neuen, und wie oft hatte ich derartige Vorschläge in der Vergangenheit abgelehnt, war also dankbar für die Chance, die ich noch einmal erhielt, mich jetzt schick zu machen und schwor mir, mich beim Alkohol zurückzuhalten. Ich hatte Sebastian nicht alles über Katherine und über unser abgekühltes Verhältnis erzählt, nichts 349
    über die Halskette beispielsweise. Irgend etwas lähmte meine Zunge
    – den ganzen Abend und auch noch, als wir nach Hause gegangen waren. Mich beschäftigten zwei Dinge, gestern und heute bis lange in die stocknüchterne Dämmerung hinein. Nicht ihr anfallartiges Erbrechen, wie widerwärtig auch immer und aus mir unerklärlichen Gründen grauenhafter es war, als den Umständen nach zu erwarten, sondern es war das Kollier, das sie getragen hatte. Ein Vermögen wert, wenn mich nicht alles täuscht, daher die
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