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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer
Autoren: Frances Fyfield
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Takt, zu dem die anderen –
    Augen rund vor Entsetzen und Peinlichkeit – auf der Stelle trabten.
    Schließlich knickte sie um, sackte wie gefällt zu Boden und rührte sich nicht mehr. Die Musik wurde vom erschrocken eingesogenen Atem übertönt, eine Lähmung erfaßte für den Bruchteil einer Sekunde die Gruppe, bis die Kursleiterin die Musik abstellte und um Hilfe rief.
    Sie wickelten sie in einen Bademantel und führten sie weg. Kinder, murmelte sie ununterbrochen, ich muß noch mehr Kinder kriegen.
    »Aber Sie haben doch schon zwei, Katherine, lassen Sie mal«, versuchte sie eine der Mütter zu beruhigen, die aus den harmlosen Um-kleideraumgesprächen, im Verlauf derer die Mütter sich Name und Alter der Kinder der anderen Mütter merkten und darauf achteten, nach ihnen zu fragen, so wie sie nie vergaßen, sich gegenseitig zu jeglicher Gewichtsabnahme zu gratulieren, ungefähr über Katherine Bescheid wußte.
    »Kinder«, wiederholte Katherine unentwegt. »Ich habe nur eines.«
    »Zwei«, verbesserte sie die Mutter, »Sie haben immer von zweien gesprochen.«
    »Eines«, widersprach Katherine schrill. »Nur eines. Nur eines. Ich möchte jetzt wieder in den Kurs.« So redete sie, während versprengte Grüppchen von Frauen in bunten Bodys mit offenen Mündern wie Wasserspeierfiguren sie umringten, fassungslos angesichts einer Sprachlogik, die höchstens die Mutter andeutungsweise verstand. Als Katherines brabbelndes Gerede allmählich verstummte, beschlossen die anderen, daß eine warme Decke in diesem Fall nicht ausreichte, und riefen einen Arzt. Eine der Frauen entdeckte bei der Untersu-chung von Katherines Handtasche, daß sie abgesehen von einer Fünfzig-Pence-Münze kein Geld bei sich hatte. Keine Adresse, nichts, um diese Frau zu identifizieren.
    David war in der Tat beim Frühjahrsputz, Mary erkannte die Sym-ptome auf den ersten Blick. Erst nachdem sein Versuch, ihr so höflich wie möglich die Tür vor der Nase zuzumachen, gescheitert war 344
    und ihre Beharrlichkeit auch an Phonstärke zunahm und sie einen Fuß in den Türspalt klemmte und versicherte, sie werde gerne warten, hatte er unwillig nachgegeben. Mit der Warnung, daß sie nicht lange bleiben könne, er habe zu tun, war er in die Küche vorausgegangen. »Mach die Tür hinter dir zu.« Zur Orientierung angewiesen auf das Gequatsche eines Hörspiels und deshalb darauf konzentriert, stupste Mary die Haustür nur leicht mit dem Fuß an; ihr Bein war noch immer etwas steif. Katherine käme ja bald, da war es nicht unbedingt nötig, daß die Tür ins Schloß fiel, und aus unerklärlichen Gründen war ihr lieber, daß sie es nicht tat.
    Die Küche bot einen unglaublichen Anblick: der Inhalt sämtlicher Küchenschränke auf dem Fußboden, die Arbeitsflächen unter anderem Abfall aus dem ganzen Haus begraben. Drei große Plastikmüll-säcke lehnten an der Spüle. Aus einem schauten die Kelche weißer Lilien hervor, angebräunt, aber längst noch nicht verwelkt.
    »Wieso wirfst du die weg?« fragte Mary. »Die sind doch noch schön.«
    »Aber nicht mehr auf dem Optimum«, erklärte David nonchalant und übertünchte seinen merklichen Ärger mit einem charmanten Lächeln. »Hör zu, ich stecke mittendrin… entschuldige das Chaos.
    Willst du nicht lieber später wiederkommen, wenn meine Frau, Katherine, meine ich…«
    »Laß mal, ich warte«, versicherte Mary. »Wenn du willst, helfe ich dir. Kann ich gut.«
    »Nein!« stieß er gepreßt hervor.
    »Na, dann machst du mir vielleicht eine Tasse Tee und ich gucke zu.« Sie war eher überrascht, als er sich fügte. Nicht nur dreinfügte, sondern große Umstände machte: eine Teekanne aus Porzellan her-vorholte, den Tee sorgfältig ziehen ließ und wunderschöne italienische Porzellanbecher auf den Tisch knallte, die aus einem Schrank zum Vorschein kamen, den er erst aufsperren mußte.
    »Warum sind die abgeschlossen?« fragte sie, doch er lächelte bloß abwesend – ein höflicher, aber vielbeschäftigter Mann.
    »Ach, die Kinder, weißt du.«
    Sie bildete sich ein, in seinen Augen ein leicht dämonisches Glitzern zu entdecken, und einen Augenblick lang bekam sie Angst.

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    Aber nur einen Augenblick lang. Bald fühlte sie sich gestärkt durch den Tee und beruhigt vom harmlosen Geplauder zum Thema Frühjahrsputz, den nahenden Herbst, das Wetter, das Abpflücken der Käfer von den Teppichen und so fort, Fragen, die er mit Anteilnahme erörterte.
    »Und dann gibt es natürlich immer die Blätter, die
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