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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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»in aller Stille« verscharren?
    Da man nur einmal im Leben stirbt, wünscht sich sicher jeder ein anständiges Begräbnis. Und es ist nun mal besonders peinlich, wenn man selbst als Beobachter anwesend ist und dann nur ein paar nahe Angehörige erscheinen.
    Nervös ging ich zur Tür hinaus und wieder hinein. Wo war eigentlich meine Witwe? Wurde sie wieder mit dem Schminken nicht fertig? Und wo blieben die Familie und die Freunde? Ich hatte eine ganze Horde guter Sauf­ kumpane, wo steckten die Kerle?
    Meine Aufregung war überflüssig. Auf einmal ström­ ten die Leute herbei. Mehrere meiner Kumpels, feierlich mit schwarzen Krawatten, trafen mit dem Taxi ein. Dann kam die Verwandtschaft meiner Frau, Schwäger und Schwägerinnen, auch zwei Onkel, bewaffnet mit einem sperrigen Blumengebinde. Meine Brüder kamen mit ihren Kindern, außerdem ein paar mir unbekannte Typen, deren Gründe teilzunehmen mir verborgen blie­ ben. Immerhin waren sie schwarz gekleidet, vielleicht waren sie entfernte Verwandte meiner Frau. Insgesamt versammelten sich fast hundert Leute! Ich war ganz überwältigt. Blumen türmten sich an der Seitenwand der Kapelle: vier Kränze und mehr als dreißig große Blumengebinde, die zusammen bestimmt eine Menge Geld gekostet hatten. Ich konnte mich wirklich nicht beklagen.
    Dann traf meine Witwe ein, begleitet von ihrer Schwester. Die anderen Gäste machten ihnen respekt­ voll Platz. In gemessener Würde schritten die beiden schwarz verschleierten Frauen zu ihren Plätzen. Mit gesenkten Köpfen setzten sie sich, zupften die Schleier zurecht, nahmen die Gesangbücher in ihre zarten Hän­ de und starrten auf meinen Sarg. Die Feier konnte beginnen.
    Nach dem Eingangslied, das der Jugendchor auf der Empore sang, trat ein bärtiger Mann mit einer Geige ans Kopfende meines Sarges. Er spielte sehr schön, Händel, wie ich vermutete. Mir jedenfalls ging es ans Herz; im
    Raum herrschte sehr andächtige Stimmung. Gerührt betrachtete ich das Publikum, vor allem die Schwester meiner Witwe, die in ihrer Blässe sehr anziehend wirkte. Sie trug das schwarze Kleid, das sie sich im vergangenen Jahr zum ersten Mai gekauft hatte, jetzt aufgewertet durch einen schwarzen Hut mit Schleier. Ich warf einen Blick in ihren Ausschnitt, was mir problemlos gelang, wenn ich über ihr schwebte. Anmutig schmiegten sich ihre hübschen weißen Brüste in die schwarze Seide.
    Dann schaute ich in der Sakristei nach, wer die Pre­ digt halten würde. Der Pastor war jung und mager und hatte sich in einen schmucken Talar gehüllt. Es gab nichts an ihm auszusetzen. Gerade bohrte er sich einen trockenen Popel aus der Nase, ehe er in die Kapelle trat, um seines Amtes zu walten. Ich stellte mich hinter ihn, sodass ich den Predigttext lesen konnte, der zwischen den Bibelseiten steckte.
    Der Pastor sprach recht gut. Er zitierte immer wieder die Bibel, dazu hatte er einige kurze Passagen aus dem Neuen Testament ausgewählt. Mit gutem Willen konnte man einen Zusammenhang zwischen meinem verstorbe­ nen Ich und den gelesenen Textstellen erkennen. Der Pastor lobte mich als Menschen, wobei er einige Male eindeutig übertrieb, und richtete tröstende Worte an meine Witwe. Zum Ende seiner Rede erklärte er, dass es mir nun gut ging, da ich die böse Welt verlassen hatte. Ich hätte am liebsten gesagt, dass es mir ebenso gut gehen würde, wenn ich am Leben geblieben wäre. Dann hätte ich zum Beispiel versuchen können, die Schwester meiner Frau zu verführen, dachte ich verdrießlich.
    Wenig später war die Rede jedoch zu Ende, und die andächtige Stimmung kehrte zurück, ergriff auch mich.
    Routiniert segnete mich der Pastor am Schluss aus. Anschließend wurde wieder ein Choral gesungen, in den ich aus voller Kehle einstimmte, obwohl ich ihn eigent­ lich gar nicht kannte. Denn ich dachte mir, dass man auf seiner eigenen Beerdigung einfach zum Singen verpflichtet war. Damit war die Amtshandlung dann auch beendet.
    Anschließend wurde der Sarg samt Inhalt, begleitet von einem stillen Trauerzug, über den Friedhof gescho­ ben, und ein paar meiner Freunde ließen ihn ins Grab hinab. Dabei erklang das letzte Lied: »O Welt, ich muss dich lassen…« Mir wurden fast die Augen feucht, als ich beobachtete, wie der Sarg leise schwankend in die Gruft sank. Meine Witwe weinte, die Männer räusperten sich. Man kann sagen, was man will, aber eine finnische Beerdigung ist in vielerlei Hinsicht wirklich schön und feierlich.
    Als das Grab zugeschaufelt war und
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