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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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Feiern sind sehr schön und beruhigend. Au­ ßerdem trifft man bei diesen Gelegenheiten im Allgemei­ nen neue Tote, so wie ich jetzt zum Beispiel Sie getroffen habe. Fast immer nimmt der Verstorbene selbst – außer natürlich als Leichnam – auch als Geist an seiner Beer­ digung teil. Der Mensch ist eben egoistisch, er bringt es nicht fertig, seiner eigenen Feier fernzubleiben. Das ist verständlich und ganz natürlich.«
    Propst Hinnermäki erzählte, dass er sechs Jahre zu­ vor gestorben war. Während seiner letzten Lebensjahre war er Pfarrer in Kyrönlahti gewesen. Er gab mir zu verstehen, dass er anständig und ohne eigentliche Sün­ den gelebt hatte, sodass ihm die Eingewöhnung in die neuen Verhältnisse nicht schwer gefallen war. Nicht dass er mit seiner Lebensweise geprahlt hätte! Er blieb bescheiden und ruhig, und er gefiel mir immer mehr. Ich konnte nicht umhin, ihn zu fragen, wie er als Kir­ chenmann unseren jetzigen Daseinszustand bezeichnete – befanden wir uns im Himmel oder in der Hölle, oder was war dies eigentlich für ein Ort?
    Er erwiderte, dass sich das so auf die Schnelle nicht erklären lasse, aber eines könne er mir gleich sagen, dass es nämlich seines Wissens einen Himmel im Sinne der Bibel – wenn man die Sache wörtlich nehme – nicht gebe. »Dies ist nicht unbedingt ein Paradies, das muss ich ehrlich zugeben. Aber wie eine Hölle kommt es mir auch nicht vor, jedenfalls soweit es mich betrifft«, meinte der Propst.
    Seiner Meinung nach waren wir Tote eine Art spiritu­ eller Wesen, oder eben einfach Geister. Aus seinen Er­ fahrungen schloss er, dass die Toten ihr Leben in ihren Gedanken, in einer Art Traum, fortsetzten… Die Hirntä­ tigkeit zu Lebzeiten hatte ein geistiges Ich geschaffen, das mit dem Ableben des Körpers nicht starb, sondern in gewohnter Weise weiterlebte. Nach einer angemesse­ nen Zeit verschliss sich dann dieses übrig gebliebene geistige Ich, das Vernunftkapital, konkret ausgedrückt, es löste sich auf, verflog und schwebte davon wie Nebel im Wind.
    »Man kann es auch das Über-Ich nennen, dieser Ter­ minus ist Ihnen sicher bekannt.«
    »Das erscheint alles ziemlich einleuchtend«, sagte ich. »Aus der Sicht eines Geistlichen ist das Ganze natür­ lich irgendwie fatal«, fuhr Propst Hinnermäki nachdenk­
    lich fort. »Mein Leben lang habe ich die Gläubigen auf das Jenseits vorbereitet – natürlich gestützt auf meinen Glauben und auf die Bibel –, und als ich dann starb, konnte ich mit eigenen Augen sehen, dass es gar nicht so war, wie ich es die Menschen gelehrt hatte.«
    »Wie haben Sie diesen Widerspruch verarbeitet, war das nicht schwierig?«, fragte ich ihn.
    »Natürlich war das alles eine heftige Überraschung für mich. Aber bald gewöhnte ich mich an den Gedanken, dass ich mein Leben lang, offen gesagt, Unsinn gepredigt hatte… Zum Glück ist der Mensch anpassungsfähig, das trifft auch auf mich zu. Am schwierigsten war es, den Sachverhalt meinen früheren Gemeindemitgliedern zu erklären, die nach mir starben und die, sobald sie mir hier begegneten, nach ihrem Platz im Paradies fragten. Was kann ein verstorbener Pastor in dieser Situation machen? Wo hätte ich für all die Verstorbenen das nicht vorhandene Paradies herzaubern sollen? Schließlich bin auch ich nur ein Mensch! Nun, man kann über alles reden, ich bin immer flexibel gewesen, und so habe ich versucht, diesen Gläubigen zu erklären, dass sie sich nicht über die hiesigen Bedingungen beklagen sollten. Hauptsache, sie hatten auf Erden gut und richtig gelebt. Den Glaubenseiferern versuche ich auszuweichen, denn für sie ist dieser Tod in der Regel ein verdammter Schock – entschuldigen Sie, wenn ich hier ein wenig irdischer rede als zu Lebzeiten.«
    »Das macht nichts, sprechen Sie nur weiter«, sagte ich.
    »Nun ja, diese Glaubenseiferer sind nämlich bitter enttäuscht, wenn sie nun gar nicht die Himmelsfreuden erlangen, die sie erwartet haben. Sie finden, dass sie betrogen worden sind und dass ihnen etwas Besseres zustünde als den anderen Sterblichen. Man kann sich ja vorstellen, wie sich ein Mensch fühlt, der sich ein Leben lang auf die Zeit nach dem Tod vorbereitet hat und dann plötzlich feststellen muss, dass er jahrzehntelang falschen Erwartungen nachhing. Diese Leute lassen ihre Wut an uns Pastoren aus und sparen nicht an groben Ausdrücken. Ich bin mehr als einmal zur Zielscheibe von Schmähungen geworden, man hat mich als falschen Propheten und alles
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