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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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Mal begegnete, hatte sie ein wenig Scheu vor dem alten Herrn. Doch die Stimmung lockerte sich, als der Propst schmunzelnd sagte, dass er, wenn wir alle noch lebten, Elsa und mich mit Freuden trauen würde. Unter den gegenwärtigen Umständen aber begnüge er sich damit, seine Freude darüber kundzutun, dass wir uns wiedergefunden hat-ten.
    Wir unterhielten uns über Jesu Rede vom Vortag, die der Propst ebenfalls gehört hatte, und wir waren uns alle darin einig, dass er hervorragend gesprochen hatte und ein beeindruckender Mann war.
    »Es hat sich wirklich gelohnt, hinzugehen«, fand der Propst. »Jesus wirkte außerordentlich jung, obwohl er schon fast zweitausend Jahre tot ist. Wo mag wohl Maria, seine Mutter, heute sein?«, fügte er gedankenver­ loren hinzu, woraufhin ich mir die Frage nach Jesu Erzeuger nicht verkneifen konnte, über den es ja keine eindeutigen Erkenntnisse gab.
    Vorsichtshalber ließen wir dieses Thema, das gerade zu Weihnachten ein wenig heikel war, auf sich beruhen. Ich erkundigte mich, wo Hinnermäki das Fest verbrin­ gen wollte, und er sagte, dass er sich wie stets auf dem Friedhof aufhalten werde.
    »Heiligabend werde ich hier sein, aber am ersten Feiertag besuche ich den Friedhof von Hietaniemi. Am zweiten Feiertag bleibt mir dann vielleicht Zeit für einen Ausflug nach Honkanummi, mal sehen. Diese Friedhöfe sind gerade zu Weihnachten besonders schön. Wenn kein starker Wind herrscht, brennen die Kerzen, die die Leute aufgestellt haben, die ganze Nacht hindurch, das wirkt außerordentlich feierlich. Gelegentlich tauchen auch ein paar Tote auf, sodass es eigentlich nie an Gesprächspartnern fehlt, falls mir die Zeit lang werden sollte«, erzählte der Propst. »Wo sollte es einen so alten Geist wie mich auch an Weihnachten hinführen, wenn nicht zu den vertrauten Stätten«, ergänzte er halb an sich selbst gerichtet. Dann erkundigte er sich, was wir beide vorhatten.
    Elsa und ich hatten verabredet, dass wir mein kleines altes Mütterchen im Norden aufsuchen wollten, was sie dem Propst berichtete:
    »Wir gehen zu ihr, um sie mithilfe von Träumen in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Sie wohnt doch ganz allein in ihrem Häuschen, nur ihr alter Hund ist bei ihr.«
    Am selben Abend erreichten Elsa und ich das ver­ schneite und kalte lappländische Dorf. Wir begaben uns in das Häuschen der Alten, die dort herumwirtschaftete und sich ein kleines Weihnachtsessen zubereitete. Der Backofen glühte und strömte gemütliche Wärme aus, die Fensterscheiben waren abgetaut, und an der Decke hing Weihnachtsschmuck aus Stroh, der sich in der warmen Luft drehte. Der alte, zottige Hund lag mit halb geschlossenen Augen vor dem Backofen und regte sich nur ab und zu, um mit den Zähnen nach einem Floh in seinem Fell zu schnappen und um so breit zu gähnen, dass die ganze geschwärzte Zahnreihe in seiner faltigen Schnauze sichtbar wurde. Hin und wieder sprach die Alte mit ihm, und er hörte schläfrig und zerstreut zu, wobei er gelegentlich faul mit dem Schwanz wedelte, um zu zeigen, dass er mehr oder weniger am Gespräch teilnahm.
    Die Alte hatte sich eine kleine Fichte im Wald ge­ schlagen, die sie jetzt zum Auftauen hereinholte. Dann stieg sie auf den Dachboden ihrer Hütte, um nach dem Fuß zu suchen. Im schwankenden Schein ihrer Ta­
    schenlampe kam sie an einer alten Truhe vorbei, blieb stehen und öffnete den Deckel. Sie nahm einen Stapel Briefe heraus, der mit einer Schleife zusammengebun­ den war. Tief in Gedanken löste sie die Schleife und blätterte in dem Stapel. Es war Feldpost, und der Ab­ sender war ihr Mann, der offensichtlich im Krieg geblie­ ben war, denn die letzten Briefe stammten von 1943. Die Alte band die Briefe wieder mit der Schleife zusammen und legte sie in die Truhe. Lesen konnte sie sie wegen ihrer schlechten Augen nicht mehr, das wusste ich noch von meinem letzten Besuch. Aber sie erinnerte sich bestimmt genau daran, was ihr lieber Mann ihr ge­ schrieben hatte.
    Als sie den Fuß für ihren Weihnachtsbaum gefunden hatte, stieg sie wieder nach unten. Traurig setzte sie sich auf die Bank und tat eine Weile gar nichts, saß nur da und starrte den Fuß an. Der Hund kam zu ihr, legte seine Schnauze in ihren Schoß und schloss die Augen. Sie kraulte ihn, er wedelte mit dem Schwanz und win­ selte zufrieden.
    Die Alte schmückte den Baum mit einem Stern, den sie auf die Spitze setzte, und mit fünf schlanken Kerzen. Mehr Schmuck wagte sie nicht anzubringen, damit der Baum nur ja
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