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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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diese durch meine Jünger an die Leute verteilen. Jeder bekam fünf Brote und zwei Fische, das war sehr viel zu jener Zeit. Als sich die Leute satt geges­ sen hatten, lauschten sie mir aufmerksam und glaubten auch meinen Worten. Der Weg ins Herz des Volkes führt nämlich durch den Magen, so sagt man scherzhaft. Ihr jedoch kennt keinen Hunger, und deswegen macht es nichts, dass ich weder Brot noch Fisch für euch habe.«
    Die Leute jubelten. Jesus wartete, bis sich der Beifall gelegt hatte und es auf dem Platz wieder still geworden war. Dann fuhr er in seiner Rede fort, die warmherzig und freundlich war. Ich muss sagen, dass man nicht oft
    in seinem Leben Gelegenheit hat, so deutliche und anregende Worte zu hören. Es ist kein Wunder, dass der christliche Glaube überall auf der Welt so viele Anhän­ ger hat.
    Jesus sprach über die Pflichten der Toten. Er betonte die Bedeutung der freiwilligen Reue. Dann warnte er uns davor, unser gegenwärtiges Dasein mit Nichtigkeiten und Langeweile zu vertun, und forderte uns auf, den frisch Verstorbenen bei ihren ersten Schritten im Jenseits zu helfen. Vor allem sollten wir freundlich zu den Kindern sein, die oftmals ganz unvorbereitet zu uns kamen. Auch sollten wir hässliche, mit langsamem Verstand oder mit anderen Mängeln behaftete Geister nicht zurückweisen. Wir sollten ihnen etwas von der Zeit opfern, die einem jeden von uns gegeben war.
    Diese schöne Rede bewegte mich sehr. Als Jesus zum Abschluss seine Hände über uns erhob, als wolle er uns alle segnen, fielen viele, darunter ich, auf dem schnee­ bedeckten Platz auf die Knie.
    Und während ich da kniete, sah ich vor mir ein wohl­ geformtes weibliches Hinterteil, das nur von einem dünnen Nachtgewand bedeckt war – es fehlte nicht viel, und die nackte Haut wäre zu sehen gewesen. Verwun­ dert überlegte ich, wo ich diesen Pyjama schon gesehen hatte, er kam mir irgendwie bekannt vor. Ich beobachte­ te die Frau, und als sie ein wenig den Kopf drehte, durchzuckte es mich: Es war Elsa, die da genau wie ich vor Jesus niedergekniet war!
    Ich flüsterte Huretta und dem Selbstmörder zu, dass ich sie jetzt allein lassen müsse, bat sie, Propst Hinner­ mäki und dem Papst Weihnachtsgrüße zu überbringen, und dann stürzte ich los, um Elsa zu begrüßen.
    Sie erkannte mich sofort und flog mir an den Hals. Mir stieg ein Kloß in die Kehle: Elsa mochte mich also doch, trotz allem! Wie glücklich fühlte ich mich! Ich stammelte ihr ins Ohr, dass wir sofort von hier wegge­ hen sollten, denn ich wollte mit ihr allein sein. Elsa wehrte jedoch verlegen ab:
    »Lass uns noch einen Augenblick bleiben… Jesus hat so schön gesprochen, fand ich.«
    Aber ich war so froh über die Begegnung, dass ich Elsa mit mir zog. Sie folgte mir dann auch willig und gestand, während wir die Mariankatu entlanggingen:
    »Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, Liebster… Ich habe dich überall gesucht, aber hier sind so schrecklich viele Tote, dass man niemanden findet… und anrufen konnte ich ja nicht…«
    Sie erzählte, dass sie ihren überstürzten Aufbruch gleich unterwegs bereut hatte, aber als sie noch einmal umgekehrt war, hatte sie mich auf dem Mond nicht mehr gefunden.
    »Dort waren nur irgendwelche Astronauten, die sich gegenseitig lobten.«
    Wir gingen ans Meer, schauten auf das eisige Wasser und redeten nicht viel. Wir waren glücklich und ver­ sprachen uns, von nun an zusammenzuhalten. Nichts sollte uns mehr trennen! Ich hätte Elsa gern umarmt, doch ist ein Geist dazu nicht fähig. Sei’s drum! Liebe braucht keinen menschlichen Körper, sie lebt auch ohne ihn. Liebe ist Glück, das auch ein Toter fühlen kann.
    31
    Am Heiligen Abend eilten Elsa und ich auf den Friedhof von Malmi, um Propst Hinnermäki zu begrüßen und ihm zu erzählen, dass wir uns wiedergefunden hatten und uns nie mehr trennen würden.
    Es schneite leise, und wir sahen den Propst über ei­ nen der frisch gepflügten Wege schreiten. Hier und da flackerten Kerzen, die die Angehörigen auf den Gräbern ihrer Lieben entzündet hatten. Mein Grab war mit Schnee bedeckt, aus dem traurig der Stängel einer vertrockneten Schnittblume ragte. Keine einzige frische Fußspur war neben dem Hügel im Schnee zu sehen. Man ließ mich tatsächlich in Frieden ruhen, nicht mal zu Weihnachten wurde eine Kerze aufgestellt! Nach der Art eines höflichen Mannes beglückwünschte uns Hin­ nermäki zu unserer Freundschaft, wie er unsere Bezie­ hung nannte. Da Elsa ihm zum ersten
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