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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los
Autoren: Arto Paasilinna
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nicht zu weltlich aussah.
    Elsa und ich saßen in der Ecke der Stube auf dem Bettrand und beobachteten die Alte und ihren Hund, wobei wir einander immer wieder in die Augen sahen. Leise flüsternd entwarfen wir den passenden Weih­ nachtstraum für die arme Frau. Elsa fand, wir sollten sie von einer schönen und festlich geschmückten Kirche träumen lassen. Dann kam ich auf die Idee, ein regel­ rechtes Drehbuch zu verfassen: Wir würden das Mütter­ chen in einen Schlitten setzen und in prächtige Decken hüllen, anschließend einen Traber davorspannen und den Schlitten von einem Kutscher durch verschneite Felder ins Kirchdorf und bis vor die Kirche lenken las­ sen. Dort würde sie alte Bekannte treffen und mit ihnen plaudern. Und der Gottesdienst selbst würde ganz wun­ derbar sein. Ich entwarf alles bis aufs i-Tüpfelchen, und für alle Fälle dachten wir uns noch einige weitere Weih­ nachtsträume aus, falls wir den Eindruck hätten, dass das Mütterchen nach der Heimkehr aus der Kirche weiterträumen wollte.
    Im Backofen hatte die Alte einen Steckrübenauflauf bereitet, den sie jetzt herausnahm und der die ganze Stube mit herrlichem Duft erfüllte. Sie hatte auch ein paar Scheiben Schinken gekauft, die sie schon vorher in der Pfanne gebraten hatte. Die Vorspeise bestand aus einer beträchtlichen Menge geräucherter Heringe, die auf einer Untertasse bereitlagen. Nun goss sie Butter-milch aus der Plastikflasche in eine Kanne, und dann deckte sie den Tisch, auf dem eine weiße Weihnachtsde­ cke lag, die am Rand mit roten Tannenzapfen bestickt war. Stockfisch gab es beim Weihnachtsmahl des Müt­ terchens nicht, aber sie legte sich ein paar Scheiben gesalzener Maräne aufs Brot, obwohl der Arzt sie vor dem Verzehr salzhaltiger Nahrung gewarnt hatte. Im­ merhin war Weihnachten, und sie hatte außerdem großen Hunger. Zur Vervollständigung ihrer Tafel setzte sie noch eine Schale mit rotbackigen Äpfeln ans Tisch­ ende.
    Rasch stellte sie den Kaffeekessel auf den Herd, und dann begann sie mit ihrer Mahlzeit. Sie faltete ihre knochigen kleinen Hände und sprach lautlos ein Tisch­ gebet, bevor sie endlich ihr Festmahl genoss. Der Hund erwachte, kam zu der Alten und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz, wobei er sie mit seinen wässrigen Augen ansah. Sie stand auf, holte einen tiefen Teller aus dem Geschirrschrank, tat ein wenig Schinken und ge­ räucherten Hering drauf und sagte zu ihrem Hund:
    »Rekku, komm und iss mit mir. Setz dich hier neben mich.«
    Der Hund traute seinen Ohren nicht – sollte er sich tatsächlich richtig auf die Bank setzen? Dann jedoch sprang er hinauf, sah die Alte noch einmal ungläubig an, und da sie ihn nicht wegjagte, blieb er sitzen. Sie nickte ihm zu, und vorsichtig begann er die Delikatessen vom Teller zu schlecken. Dabei hütete er sich zu schlin­ gen, damit das Tischtuch nicht schmutzig wurde und sein Frauchen ihn womöglich ausschimpfte. Ab und zu schaute er sie an und wedelte zufrieden mit dem Schwanz.
    Zum Abschluss der Mahlzeit trank die Alte zwei Tas­ sen Kaffee und goss dem Hund fast eine ganze Tetrapa­ ckung dicker Sahne auf den Teller. Er schleckte die Leckerei genüsslich, dann sprang er von der Bank und lief zu seinem Platz vor dem Ofen. Die Alte räumte das wenige Geschirr vom Tisch, wusch es und trocknete es ab, dann zündete sie die Kerzen am Baum an und setzte sich in den Schaukelstuhl.
    Als die Kerzen zu einem Drittel heruntergebrannt wa­ ren, blies die Alte sie aus. Sie entkleidete sich, zog ihren verschlissenen Pyjama an und cremte das runzelige Gesicht und die Hände mit Vaseline ein, bevor sie sich ins Bett legte. Der Hund schlief bereits auf seinem Platz vor dem Ofen, und als das Licht in der Stube erlosch, lauschten Elsa und ich zunächst still. Schließlich traten wir zu der Alten ans Bett und führten sie in die Weih­ nachtskirche, in der herrliche Orgelmusik erklang. Die Alte genoss den Gottesdienst so sehr, dass ihr im Traum die Tränen über die Wangen liefen.
    Nachdem wir die Alte wieder aus der Kirche heimge­ bracht hatten und sie ruhig und glücklich schlief, be­ scherten wir auch ihrem Hund noch einen munteren Weihnachtstraum: Er durfte ins Nachbardorf laufen, wo eine läufige Hündin wartete, und auf dem Rückweg ließen wir ihn im Schnee frische Hasenspuren finden. Seine Hinterbeine zuckten im Schlaf.
    Dann begaben auch Elsa und ich uns für den Rest der Nacht zur Ruhe. Und das taten wir mit einem wirk­ lich guten Gefühl.
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