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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök
Autoren: Oliver Henkel
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Deutsche lehnte ab.
»Ich kann das Problem mit bloßen Augen ausmachen«, meinte er und machte eine kurze Kopfbewegung in Richtung der Talsperre. »Es gibt keine Möglichkeit, das verdammte Ding zu sprengen. Kein Wunder, dass Ihre sonderbare aufgekratzte Hochstimmung, mit der Sie mir schon den ganzen Morgen auf die Nerven gehen, so plötzlich verschwunden ist.«
Tubber entschied sich, den letzten Satz zu überhören. Er hatte insgeheim gehofft, Dünnbrot würde ihm eine Lösung anbieten, auf die er selbst nicht kam. Doch stattdessen hatte er nur eine Bestätigung der niederschmetternden Erkenntnis, zu der er gelangt war, erhalten.
Damit aus Ammoniumnitrat und Dieselöl angemischter Sprengstoff bei der Detonation Wirkung zeigte, musste man ihn in Bohrungen oder wenigstens in abgeschlossene, enge Hohlräume einfüllen. Bei einer Zündung im Freien würde die Kraft der Explosion verpuffen. Doch Tubber hatte nirgendwo an der Talsperre eine Stelle entdeckt, an der sich der Sprengstoff einsetzen ließ. Und selbst, wenn er einen Ausweg gefunden hätte, wäre es nicht möglich gewesen, die Plastikfässer den Hang hinab bis zur Dammkrone zu bringen.
»Schöne Aussichten. Wir können nichts weiter tun, als zu warten und zu hoffen, dass die Amis noch rechtzeitig aufkreuzen und dem Spuk ein Ende bereiten«, sagte Dünnbrot in hilflosem Ärger.
»Ich denke überhaupt nicht daran!«, entgegnete Tubber verbissen. Er hatte nicht die Absicht, untätig Däumchen zu drehen, während Himmler ungehindert die letzten Vorbereitungen zur Auslöschung der Welt traf. Er führte das Fernglas wieder an die Augen und suchte nochmals die Talsperre ab. Vielleicht war ihm etwas entgangen.
»Ecke sagte doch, dass Sperber zufolge die Staumauer vermint ist«, murmelte er konzentriert. »Halten Sie das für denkbar?«
Dünnbrot verzog skeptisch den Mund. »Wahrscheinlich hatte er sich das nur aus den Fingern gesogen, um Ecke und Pallasch einen Plan auftischen zu können. Ich sehe auch nirgends Sprengsätze.«
»Staudämme dieser Größe sind keine massiven Betonwälle«, entgegnete Tubber. »Ich habe in Indien mehrmals Talsperren gegen Anschläge von Rebellen gesichert. Daher weiß ich, dass sich im Inneren Kontrollgänge befinden, die sich der Länge nach durch den Damm ziehen. Dort würde ich die Sprengsätze unterbringen. Nur wo befindet sich der Zugang?«
Meter um Meter nahm er die Staumauer in Augenschein, fand aber keine Türen.
Zwar gab es auf der Dammkrone ein spitzdachiges Häuschen, doch es ragte wie ein Balkon über die Wasseroberfläche und konnte keinen Einstieg beherbergen; vermutlich befanden sich dort nur die Pegel und die Vorrichtungen, mit denen die Abflussschieber gesteuert wurden. Falls ein Zugang existierte, dann wohl nur im Maschinenhaus am Fuß der Staumauer, unerreichbar und direkt vor den Augen der vollzählig versammelten SS.
Doch Tubber wollte nicht wahrhaben, dass es ihm nicht möglich sein sollte, ins Innere des Staudamms zu gelangen. Noch einmal untersuchte er alles genauestens, um ja nichts zu übersehen.
»Das ist es!«, entfuhr es ihm plötzlich.
Auf der begehbaren Dammkrone, die zu beiden Seiten von brusthohen Mauern begrenzt wurde, befanden sich im Abstand von jeweils etwa dreißig Fuß viereckige Kanaldeckel. Tubber hätte jede Wette akzeptiert, dass sich unter ihnen Schächte befanden, die senkrecht bis zum Kontrollgang hinabführten.
»Zurück zum Wagen«, sagte er und steckte das Fernglas zurück ins Etui. »Wir brauchen die Brechstange aus dem Werkzeugkasten und die Taschenlampe. Und vorsorglich auch gleich alles, was für die Sprengung nötig ist.«
»Sie verrennen sich da wieder in etwas«, warnte Dünnbrot.
»Mag sein. Aber für den Fall, dass ich recht habe, will ich vorbereitet sein.«
Tubber stand auf, wischte sich die regennassen Haare aus der Stirn und machte sich auf den Weg bergauf zum Lastwagen.
Dünnbrot folgte ihm. Er wusste nicht, welchen haarsträubenden Plan der Engländer nun entwickelt hatte, aber er war überzeugt, dass sie einem weiteren Fehlschlag mit unabsehbaren Folgen entgegensteuerten. Daran änderte auch der widerwillige Respekt, den er langsam für die Entschlossenheit entwickelte, mit der Tubber seine einmal gefassten Entschlüsse verfolgte, absolut nichts.

Im Schutze von Bäumen und Buschwerk bewegten sich Tubber und Dünnbrot in geduckter Haltung rasch hangabwärts, bis sie die Staumauer erreichten. Von dort an konnten sie aufrecht gehen, denn der Blickwinkel und die hohen
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