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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök
Autoren: Oliver Henkel
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nicht, Reichsführer«, verneinte Sperber, der neben dem Reichsführer stand und wie die beiden anderen Männer nun eine Tropenuniform trug. »Vermutlich wurden sie unterwegs aufgehalten.«
Betrübt schüttelte Himmler den kahlen Kopf. »Wirklich höchst bedauerlich.
Ich möchte nur ungerne auf Dünnbrot verzichten müssen. Wenn er nicht mit uns kommt, wird das ein großer Verlust für unsere Zukunft sein. Aber wir können nicht auf ihn warten. Kommen Sie, meine Herren. Wir wollen unsere Plätze einnehmen.«
Die drei Männer verließen das unterhalb der Staumauer errichtete Gebäude.
Köhler schloss die Tür hinter sich ab, ohne sich der Unsinnigkeit dieser Maßnahme bewusst zu sein.
»Reichsführer, wenn Sie gestatten, möchte ich noch einmal die Stromleitungen überprüfen«, bat Sperber.
Himmler nickte zustimmend. »Tun Sie das. Ich erwarte Sie dann auf der Plattform.«
Schnellen Schrittes eilte Sperber in Richtung des Turbinenhauses am Fuße der Staumauer. Die Kabelstränge, die von den Akkumulatoren zum Baldur-Gerät verliefen, waren ihm gleichgültig. Er wollte nur rasch eine Stelle finden, an der er ungestört war. Die Gewissheit, bald die Weltgeschichte in neue Bahnen zu lenken, machte ihn nervös und schlug ihm auf die Blase.

Tubber legte die Zündkapseln neben sich auf die Brüstung, während Dünnbrot die plumpe Kabeltrommel am Uniformkoppel zu befestigen versuchte, um beide Hände zum Hinabklettern frei zu haben.
»Wenn Sie gesehen hätten, wie viel TNT da unten liegt, würden Ihnen die Knie zittern«, meinte der Deutsche und fädelte das Gürtelende durch eine schmale Lasche am Kabelhalter.
»Die zittern mir auch so schon«, entgegnete Tubber gequält. So sehr er sich auch bemühte, nicht ins Tal hinabzusehen, er konnte es nicht völlig vermeiden. Und jeder noch so kurze Blick, der ihn daran erinnerte, dass er sich auf einer hundertfünfzig Fuß hohen, nach einer Seite steil abfallenden Mauer befand, verursachte ihm Schwindelgefühle.
Dann plötzlich wurde es ihm zu viel. Er fasste den Entschluss, sich seiner Höhenangst entgegenzustemmen. Einen besseren Ort als diesen, wo ihn die Mauer vor einem Sturz in die Tiefe schützte, gab es dafür nicht.
Tubber drehte sich herum und sah nach unten. Seine Finger suchten Halt im Beton der Brüstung, sein Herz schlug heftig. Doch er schloss die Augen nicht und wandte sich auch nicht wieder ab, obwohl er es am liebsten getan hätte.
Nach einem Moment der Furcht und dem kurz aufwallenden Gefühl, sich in der nächsten Sekunde übergeben zu müssen, kehrte wieder Ruhe in seinen Körper und sein Gehirn ein. Er sah ins Tal hinunter, und er stellte voller Staunen fest, wie faszinierend es sein konnte, eine solche Aussicht zu erleben, wenn es nur gelang, die Angstgefühle zu ignorieren. Er hatte es nicht für möglich gehalten. Ja, er schaffte es sogar, die Hände von der Brüstung zu lösen und die Arme ein wenig anzuheben.
»So, das hätten wir«, sagte Dünnbrot und zog den Gürtel wieder fest. »Ich steige jetzt runter und ...«
Er verstummte, denn als er aufblickte, sah er den Engländer an der Brüstung stehen und regungslos in die Tiefe starren. Sofort packte er ihn am Arm und wollte ihn zurückziehen. Der vollkommen überraschte Tubber geriet ins Stolpern und musste sich an der Mauer festhalten, um nicht zu stürzen.
»Zur Hölle, was ist in Sie gefahren?«, fuhr er Dünnbrot erschrocken an.
»Ich dachte, Sie hätten wieder einen Anfall von Höhenangst. Es sah aus, als würden Sie jeden Augenblick nach vorne kippen und da runterstürzen.«
»Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten ist atemberaubend«, brummte Tubber ärgerlich.
Dünnbrot lagen einige Kommentare auf der Zunge, doch er zog es vor, zu schweigen. Er nahm die Zündkapseln von der Brüstung, ohne zu bemerken, dass eine von ihnen fehlte. »Über Ihre Fähigkeiten, Herr Leutnant«, meinte er, als er in den Schacht stieg, »werde ich mir meine endgültige Meinung bilden, wenn das alles hier überstanden ist.«

Hinter einem Lagerschuppen, der direkt am Fuß der Staumauer stand, schloss Sperber seine Hose. Er hatte sich Erleichterung verschafft und war nun, unbelastet vom Harndrang, bereit, die Geschicke der Menschheit neu zu gestalten. Gerade trat er hinter dem Schuppen hervor, als er neben sich ein leises Klirren hörte.
Er schaute zu Boden. Keine zwei Meter von seinen Füßen lag ein längliches, metallisch schimmerndes Röhrchen. Sperber hob es auf und erkannte auf der Stelle, dass es sich um eine
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