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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök
Autoren: Oliver Henkel
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diese Welt zu retten. Diese verrottete, faulige Welt. Wieso?« Der Sturmbannführer blickte Tubber direkt an, als wollte er die Gedanken des Engländers aus seinem Gesicht herauslesen, herauszerren, wenn nötig. Tubber wich den Blicken nicht aus, sondern hielt ihnen hartnäckig stand, während er eine Antwort suchte und weitere viel zu kurze Sekunden gewann.
Dünnbrot bemerkte, dass sich Sperber ganz auf sein Gegenüber konzentrierte.
Er musste die Gelegenheit nutzen. Vorsichtig ließ er die linke Hand in die Manteltasche gleiten, in der sich Chantals Buch befand. Endlich öffnete Tubber den Mund und sagte provozierend ruhig: »Verrottet und faulig, das stimmt. Aber immer noch besser als eine Welt, in der Leute wie Sie Götter sind.«
Sperber nickte. »Besten Dank, das wollte ich nur wissen.« Er richtete die Pistole auf Tubbers Kopf und spannte den Zeigefinger am Abzug.
» Fangen! «, rief Dünnbrot plötzlich und schleuderte das Buch auf Sperber.
Instinktiv riss der SS-Major die Hände in die Höhe, um den auf ihn zufliegenden Gegenstand aufzufangen. Im selben Moment machte Tubber einen Satz nach vorne, schlug ihm die Waffe aus der Hand und riss ihn zu Boden.
Greta hob sofort die Pistole auf und versuchte, auf Sperber zu zielen, der mit Tubber rang.
»Nun schieß doch!«, schrie Chantal.
Aber Greta konnte nicht. Das Risiko, den falschen der beiden Männer zu treffen, war zu groß. Ratlos richtete sie die Pistole auf die Kämpfenden und hoffte auf einen Moment, nur einen einzigen Moment, in dem sie abdrücken konnte.
Inzwischen hatte Dünnbrot die Zündmaschine an sich genommen. Er drehte den Aufziehmechanismus und legte den Daumen auf den roten Knopf.
»Nein!«, brüllte Sperber. Er entwand sich Tubbers Griff, sprang vom Boden auf und wollte sich auf Dünnbrot stürzen.
Ein Schuss knallte. Die Kugel hatte Sperbers Brustkorb von hinten durchschlagen und war vorne wieder ausgetreten. Er strauchelte und stürzte.
Mühevoll hob er den Kopf. Mit glasig geweiteten Augen blickte er zu Dünnbrot auf. Als er den Mund öffnete, floss schleimiges Blut heraus. »Tun Sie das nicht«, keuchte er gurgelnd.
Dünnbrot sah mitleidlos auf ihn herab. Langsam und genussvoll betont deklamierte er: » Verwüstung, Mord – lasst los die Hunde des Krieges! «
Dann drückte er den Knopf.

Ein gewaltiger Donnerschlag ließ die Erde erbeben und die Luft vibrieren. Der Lärm einer Kette von Tausenden einzelner Explosionen vereinigte sich zu einem einzigen alles übertönenden Krachen, das wie ein akustischer Brecher jedes andere Geräusch hinwegfegte.
Die SS-Männer rissen erschrocken die Köpfe herum und blickten zur Talsperre.
Sie sahen schmutzig grauen Staub aus den Öffnungen auf der Dammkrone schießen.
Eine finstere Wolke verschlang die Staumauer. Durch die Reihen ging ein Aufschrei der Panik.
»Niemand verlässt seinen Platz!«, brüllte Himmler. Er wusste so wenig wie jeder andere, was passiert war. Doch er würde nicht zulassen, dass ein Ausbruch von Undiszipliniertheit Ragnarök gefährdete. Nicht jetzt, wo ihn nur noch wenige Minuten von der Erfüllung seiner durch die Vorsehung bestimmten Mission trennten.
Einer der Männer brach aus der Formation aus und rannte, von Todesangst getrieben, in Richtung Berghang. Himmler zog die Pistole und schoss. Die Kugel durchschlug den Kopf; der Flüchtende war tot, noch ehe dessen Körper auf den Boden schlug.
Mühevoll unterdrückte Himmler den sofort aufsteigenden Brechreiz; er konnte kein Blut sehen. »So ergeht es Feiglingen!«, rief er seiner Truppe entschlossen zu.
Dann drehte er sich um und sah zur Talsperre.
Windstöße trieben die Wolke fort. Der Staubschleier gab die Staumauer wieder frei. Sie stand grau, massig und unversehrt da wie zuvor.
»Ihr seht, es ist nichts passiert«, wandte Himmler sich mit fester Stimme an die Männer. »Und jetzt bringt Ordnung in die Formation. Denkt daran, was vor euch liegt!«

»Oh Gott, nein!«
Tubber konnte, wollte es nicht glauben. Es war alles vergebens! , hämmerte es in seinem Hirn, als die Konturen der unbeschädigten Talsperre zwischen den fortdriftenden grauen Schwaden zum Vorschein kamen. Ich habe die Welt verloren ... ich habe die Welt vernichtet! »Das ist unmöglich«, sagte Dünnbrot versteinert. »Völlig unmöglich! Das war genug TNT, um eine halbe Stadt in die Luft zu jagen!«
Tubber reagierte nicht. Ihm war gleichgültig, warum die Sprengung misslungen war. Darauf kam es nun nicht mehr an.
Mit letzter Kraft hob der am Boden liegende
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