Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
Brüstungen der Dammkrone verhinderten, dass man sie vom Tal aus sah.
Tubber vermied es, nach links in die Tiefe zu sehen. Stattdessen schaute er krampfhaft zu Boden oder auf die angestauten Wassermassen. Seine Höhenangst setzte ihm zu, und er sehnte den Moment herbei, in dem er dieser Talsperre wieder den Rücken kehren konnte.
Rasch erreichten sie den Schachtdeckel, der sich etwa im Zentrum des Dammes befand. Hier wollte Tubber hinabklettern. Sollten sich tatsächlich Sprengsätze in der Staumauer befinden, so war seine Überlegung, dann nur dort, wo ihre Detonation den größten Effekt hervorrufen würde. Und das war die Mitte der Talsperre.
Er setzte die Brechstange bei einer Vertiefung an, die sich am Rand der geriffelten Eisenplatte befand, und drückte kräftig. Der rostige Deckel hob sich unter schwerfälligem Knarren und gab den Zugang zum Inneren der Staumauer frei.
Der enge, dunkle Schacht führte senkrecht hinab. An einer Seite waren, wie Tubber erwartet hatte, gegeneinander versetzte Tritteisen in den Beton eingelassen.
Irgendwo viele Meter weiter unten schien ein kraftloser Lichtschimmer durch die Finsternis zu dringen.
Tubber wurde plötzlich von Angst gepackt. Er musste nun dort hinabsteigen, doch alles in ihm sträubte sich dagegen. Weder brachte er es fertig, in das düster gähnende Loch zu sehen, noch konnte er sich überwinden, mit dem Rücken zum Schacht den Fuß auf die oberste Trittstufe zu setzen. Die bloße Vorstellung ließ sein Herz rasen und ihn von einer Sekunde zur anderen in Schweiß ausbrechen.
Dünnbrot deutete Tubbers Zaudern richtig. Ohne auf Einverständnis zu warten, nahm er dem Engländer die Taschenlampe ab und steckte sie in die eigene Manteltasche.
»Ich übernehme das«, sagte er knapp. »Es fehlt gerade noch, dass Sie abstürzen.«
Er nahm Tubbers schwachen und ohne Nachdruck vorgebrachten Protest nicht zur Kenntnis und stieg in den Schacht.

Schnell merkte Dünnbrot, dass er achtgeben musste. Die Tritteisen waren nicht nur rostig, sondern auch feucht und rutschig. Aber er ließ sich nicht aufhalten. Meter um Meter stieg er hinab; ein steter klammer Luftzug umwehte ihn von unten und trug den stumpfen Geruch abgestandener, kalter Feuchtigkeit mit sich.
Endlich erreichte er die Stelle, an welcher der matte Lichtschein seinen Ursprung hatte. Ein schmaler Tunnel von vielleicht anderthalb Metern Breite, bis zur gewölbten Decke keine zwei Meter hoch und einem begehbaren Abwasserkanal nicht unähnlich, traf hier auf den Schacht, spärlich beleuchtet von einer einzelnen vergitterten Grubenlampe hinter milchig angelaufenem Glas.
Dünnbrot überlegte kurz. Dann entschied er sich, nicht weiter hinunterzusteigen, sondern verließ den Schacht und folgte dem kurzen Gang, der schon nach wenigen Schritten in einen größeren Tunnel mündete.
Er hatte nun den Kontrollgang erreicht, der auf halber Höhe die Staumauer durchzog. Im trüben Licht der wenigen Lampen sah er Holzkisten, die an der rechten Wand aufgestapelt waren so weit das Auge im dämmrigen Halbdunkel blicken konnte.
Dünnbrot holte die Taschenlampe hervor und richtete sie auf die Kisten. Auf dem Holz konnte er in schwarzen Schablonenbuchstaben die Beschriftung U.S. Army – Explosives ausmachen.
»Scheiße, der Engländer hatte recht«, sagte er halblaut zu sich selbst. Mit respektvoller Vorsicht hob er den nur locker aufgelegten Deckel der ihm am nächsten stehenden Kiste an und leuchtete hinein.
Vor ihm lagen olivgrüne Kartons, an den Enden mit Metallkappen verschlossen.
Auf jedem standen die Worte: High Explosive – TNT 1 Pound Net – Corps of Engineers, USA . Sie waren nicht mit Zündern versehen, doch das war nicht schlimm.
Es reichte völlig, an einem einzigen der unscheinbaren Pappkartons eine oder zwei Sprengkapseln anzubringen, um die Tonnen von Sprengstoff, die sich in diesem Gang befanden, zur Explosion zu bringen.
Einer Explosion, die einen Berg in Staub verwandeln konnte.
Ein Kribbeln ging durch Dünnbrots Finger. Er hatte so etwas schon lange nicht mehr gemacht.

Ein letztes Mal überprüfte Köhler die lange Reihe von Skalen. Dann meldete er dem wartenden Himmler stolz: »Reichsführer, das Baldur-Gerät funktioniert perfekt.
In nicht einmal dreißig Minuten wird Ragnarök automatisch eingeleitet, ganz wie vorgesehen.«
»Gut, sehr gut«, quittierte Himmler die Mitteilung ein wenig abwesend. »Aber wo bleibt Rottenführer Klörath mit dem Skalden Dünnbrot? Sind sie immer noch nicht eingetroffen?«
»Leider
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher