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Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman

Titel: Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
Autoren: Ann Rosman
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    Hoch oben auf Marstrandsön thronte die Festung Carlsten über der salzigen Ostsee. Die grauen Steinmauern wurden langsam von der Septembersonne erwärmt, und die Schatten wanderten wieder über den Burghof. Weinrot blühendes Heidekraut suchte sich einen Weg zwischen sämtlichen Spalten in den Felsen von Bohuslän und bildete in der grauen Steinlandschaft ein unregelmäßiges Muster.
    Beim Opferstein im Opferhain, zweihundert Meter von Tor 23, dem Eingang zur Festung Carlsten entfernt, kniete eine Frau in einem bodenlangen Leinenkittel, einer Weste und mit einem Ledergürtel um die Taille. In dieser Position befand sie sich nun schon seit rund acht Stunden. Der südwestliche Wind frischte auf und ließ das Buchenlaub oberhalb der Stelle rascheln, wo ihr Kopf hätte sitzen müssen. Vor dieser Nacht war Hunderte von Jahren kein Blut mehr auf dem Opferstein geflossen.
     
    Klasse 9a von der Fiskebäcksskolan Västra Frölunda marschierte verhältnismäßig geordnet zur Festung von Marstrand hinauf. Rechts und links des steilen Weges lagen Holzhäuser.
    Es war bereits halb zehn an diesem sonnigen, aber auch etwas windigen Freitagmorgen, dem achtzehnten September. Die Festung öffnete erst um elf, aber Rebecka und Mats hatten den Ablauf minutiös geplant. Mit siebenundzwanzig Jugendlichen im Schlepptau war das absolut notwendig. Sonst konnte alles Mögliche passieren.
     
    »Okay, alle mal hergehört. Hier ist der Eingang zur Festung. Sie heißt ja nicht Festung Marstrand, sondern Festung Carlsten. Der Name kommt daher, dass König Carl Gustav X. ihren Bau anordnete. Carls Steine, Carlsten. Ihr erinnert euch vielleicht, dass Bohuslän 1658 schwedisch wurde …«
    »Der Frieden von Roskilde«, sagte einer der Schüler.
    »Genau«, erwiderte Rebecka. »Der Frieden von Roskilde beinhaltete, dass Bohuslän und Marstrand an Schweden fielen. Nun ist es so, dass die Lage von Marstrand sehr wertvoll war und ist. Hat jemand eine Ahnung, warum?« Unter den Schülern wurde es still. »Denkt daran, dass man sich damals häufig auf dem Wasser fortbewegt hat …«, fuhr Rebecka fort und nahm den einzigen Schüler dran, der sich meldete.
    »Der Hafen?«, kam es zögerlich.
    »Gut. Der Hafen war äußerst wertvoll. Einerseits hat er zwei Einfahrten, aber es hat auch damit zu tun, dass der Hafen aufgrund der Strömungen fast nie zufriert … Die Festung öffnet um eins. Ich erwarte euch dann pünktlich vor Tor 23. Und niemand geht vorher hinein.«
    »Ja, aber …«
    »Kein Aber. Alle warten, bis entweder Mats oder ich da sind. Verstanden?« Sie räusperte sich und sprach mit ihrer besten Erzählstimme weiter. »Wisst ihr noch, dass wir im Unterricht gestern über die Steinzeit und Siedlungen aus der Vorzeit gesprochen haben?«
    Einige Schüler nickten zerstreut. Lebhaft begann Rebecka, Siedlungen, Riten, Rituale und die Menschen zu beschreiben, die einst über denselben Boden gestapft waren, auf dem sie jetzt standen. Die Schüler lauschten interessiert, und einige hoben sogar die Füße und betrachteten die Erde unter sich. Langsam arbeitete sie sich chronologisch vorwärts, bis sie schließlich bei der Zeit angelangtwar, in der man die Festung erbaut hatte. Wohl wissend, dass die Ankündigung von Geheimgängen und Gefängniszellen die Schüler besonders aufhorchen lassen würde, hielt sie an dieser Stelle inne.
    Nachdem sie einen Blick auf die Liste mit den Arbeitsgruppen geworfen hatte, öffnete sie ihren grünen Fjällräven-Rucksack und teilte die Schüler in Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben ein. Sie stattete jeden von ihnen mit einem Klarsichtordner verschiedenen Inhalts aus. Streithähne hatte sie sorgfältig getrennt und somit zumindest theoretisch dafür gesorgt, dass es funktionieren konnte.
    Jede Gruppe erhielt eine Karte der Umgebung sowie eine vergrößerte Abbildung des Gebiets zwischen der Festung und dem Lotsenausguck auf der Anhöhe gleich nebenan. Der Ort war mit Bedacht gewählt worden: eine Ansammlung von alten Pfaden, die hier zusammenliefen, und ein Buchenhain mit dem sagenumwobenen Opferstein.
    In ausgelassener Stimmung stiegen die Schüler den grasbewachsenen Hügel hinauf und verschwanden aus ihrer Sichtweite. Rebecka hatte sich gerade hingesetzt und von ihrem Schinkenbrot abgebissen, als sie eine Person im Stimmbruch laut schreien hörte.
    »Ah ja«, sagte sie zu Mats. »Wie lange hat es gedauert?«
    »Bleib sitzen. Ich geh nachsehen.« Mats stand auf, reichte Rebecka seinen Kaffeebecher und verschwand
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