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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök
Autoren: Oliver Henkel
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Zündkapsel handelte.
Nach kurzem Nachdenken und einem Blick auf die Uhr entsicherte Sperber seine Pistole und stieg den Berghang hinauf.

Tubber war die Ruhe selbst, als er mit Dünnbrot den Hang hinaufstieg. Er legte nun die professionelle Gelassenheit eines erfahrenen Geheimagenten an den Tag, nicht obwohl, sondern gerade weil der entscheidende Moment näherrückte. Und er wusste, dass ihn nichts und niemand jetzt noch aufhalten konnte. In wenigen Augenblicken würde er mit einem Knopfdruck einen furchtbaren Albtraum aus der Welt schaffen. Tubber ließ es sich nicht nehmen, das Kabel auf dem Weg bergauf eigenhändig abzurollen. Die blanken Enden der Drähte hatte er bereits an der Zündmaschine angebracht, um ohne weitere Vorbereitungen sofort die Sprengung auslösen zu können.
Als der Lastwagen zwischen den Bäumen in Sicht kam, stutzte Dünnbrot. »Wo ist Chantal? Und Greta? Ich kann die beiden nirgends sehen.«
»Sie werden sich schon mal hinter dem Laster in Deckung begeben haben«, vermutete Tubber unbekümmert. Er war bester Laune und hatte nicht vor, der notorischen Schwarzseherei des Deutschen, der überall nur Probleme sah, Beachtung zu schenken. »Immerhin müssen sie mit einer Explosion rechnen. Da ist es nur ratsam, rechtzeitig Schutz vor umherfliegenden Trümmern zu suchen.«
»Ja, natürlich. Darauf hätte ich wirklich auch selber kommen können«, meinte Dünnbrot. Er merkte, dass er sich zu viele Gedanken machte, und er ahnte, woran es lag. Nach Jahren der Einsamkeit überforderte es ihn ein wenig, dass es auf einmal in seinem Leben einen Menschen gab, um den er sich sorgte. Daran musste er sich erst wieder gewöhnen.
Sie erreichten den Wagen und umrundeten das Heck, wobei Tubber die Zündmaschine wie eine Trophäe übermütig in die Höhe hielt. Doch seine Stimmung schlug augenblicklich in blankes Entsetzen um.
Greta und Chantal standen mit dem Rücken zum Lastwagen. Ihre Gesichter waren bleich und angsterfüllt. Ihnen gegenüber hatte sich Sperber aufgebaut, hielt sie mit der Pistole in Schach und lächelte kalt, als er die beiden Männer sah. »Ich habe Sie erwartet«, sagte er mit eisiger Genugtuung. »Legen Sie den Zünder auf den Boden. Und tun Sie nichts Unüberlegtes, oder ich werde ihre bezaubernden Freundinnen erschießen.«
Tubbers erster Impuls war, auf der Stelle die Sprengung auszulösen und dann Sperber mit einer blitzschnellen Attacke zu überwältigen, so schnell, dass der seine Drohung nicht wahr machen konnte. Doch das war unmöglich. Er hatte die Zündmaschine noch nicht aufgezogen. Zwei Sekunden würde er brauchen, um den Drehschalter zu betätigen und die elektrische Spannung zu erzeugen, die zum Zünden nötig war. Nur zwei Sekunden! Aber in diese kurze Zeitspanne würde Sperber ausreichen, die tödlichen Schüsse abzufeuern. Es war nicht zu schaffen. Nicht auf diese Weise.
Er warf die Zündmaschine ins Gras.
»Eine äußerst dumme Entscheidung, da Sie eigentlich wissen sollten, dass ich Sie alle auf jeden Fall töten werde«, kommentierte Sperber höhnisch. »Los, rüber zu den Frauen.«
Dünnbrot und Tubber stellten sich zu Greta und Chantal an den Lastwagen.
Tubber suchte fieberhaft nach einem Ausweg aus der aussichtslos scheinenden Situation.
Er konnte Sperber auf keinen Fall frontal angreifen. Also blieb ihm nur, auf Zeit zu spielen. Jede gewonnene Sekunde war kostbar. Gelang es ihm, die Aufmerksamkeit des Sturmbannführers irgendwie auf sich zu lenken, konnte Dünnbrot vielleicht die Gelegenheit nutzen.
Aber würde der Deutsche überhaupt erfassen, was er versuchte?
Sperber setzte eine überzogen mitleidige Grimasse auf. »Sie armselige Karikatur eines Offiziers glaubten also ernsthaft, uns aufhalten zu können? Gemeinsam mit einem dreckigen Verräter und diesen zwei Schlampen?«
»Es war immerhin einen Versuch wert«, entgegnete Tubber mit einem bemüht gleichgültigen Achselzucken.
»Nein, war es nicht«, widersprach der SS-Major. »Es war vielmehr von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Leider habe ich nicht die Möglichkeit, ausführlich mit Ihnen darüber zu diskutieren, da ich etwas in Eile bin. Sie haben dafür sicher Verständnis.
Ich habe nur noch eine Frage, die mich einfach nicht loslässt ...«
»Fragen Sie nur. Ich kann Sie ja doch nicht daran hindern.«
Sperbers Stimme wurde ernst und eindringlich. »Sie hatten die Möglichkeit, mit uns zu kommen und wie wir zu einem lebenden Gott zu werden. Doch Sie haben diese Chance weggeworfen und lieber versucht,
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