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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1
Autoren: Vanessa Mansini
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Drehs als Continuity-Frau eingestellt – das sind die Leute, die bei Dreharbeiten aufpassen, dass die Anschlüsse stimmen. Also zum Beispiel darauf achten, dass ein Darsteller nicht in der einen Kameraeinstellung seine Aktentasche in der linken Hand hat und dann in der nächsten in der rechten. Ich war wohl richtig gut darin gewesen.
    „… weil du echt ein verdammt gutes Gedächtnis hast.“
    Christian merkte erst im Nachhinein, was er da gesagt hatte. Er musste lachen.
    „Nee, echt. Ist das nicht witzig? Du warst immer die Frau, die sich am besten an alles erinnern konnte! Jeden Namen, jede Telefonnummer. Ey, du wusstest immer, wo das Auto stand. Ich hab’s ab und zu vergessen. Ich mein, wenn man jeden Tag woanders parkt. Aber du …“
    Das Thema ließ ihn offensichtlich nicht los.
    „Du kanntest Hunderte Filme und Serien. Die Schauspieler und … all so etwas. Du konntest sogar Filmdialoge auswendig. ‚Wenn ich jetzt sterben würde, was würdest du machen?‘“
    „‚Ich würd’ dich nicht sterben lassen.‘“, führte ich den Filmdialog fort.
    Christian riss die Augen auf.
    „Du erinnerst dich! Wow! Das … das … Es kommt zurück?“
    Er war plötzlich ganz aufgeregt. Ich nicht. Ich schüttelte den Kopf.
    „Nein, die Filme waren die ganze Zeit noch da. Ich bin heute Nacht fast verrückt geworden, weil … Immer wenn ich dachte, dass ich mich an irgendetwas erinnere – aus meinem Leben – dann war’s doch nur aus einem Film.“
    „Du erinnerst dich an ‚Lola rennt‘, aber nicht an meine Tochter Paula?“
    Ich schüttelte hilflos den Kopf, seufzte aus tiefem Herzen und sagte: „Und ich hab nicht das Gefühl, dass sich daran irgendwas ändert!“
    Er schaute mich ernst an. Sah, dass ich den Tränen nah war. Irgendetwas machte „Klick“ bei ihm. Als ob er bisher alles nicht so ernst genommen hatte und nun zum ersten Mal kapierte, was wirklich los war.
    „Wir müssen noch mal mit der Ärztin reden!“
    Das taten wir dann auch. Und nicht nur mit ihr. Christian war offensichtlich gut im Organisieren. Produktionsleiter eben. Er schaffte es zwar nicht, mich einmal tröstend in den Arm zu nehmen, aber er fand heraus, dass es in der Charité die deutsche Koryphäe im Bereich Gedächtnisforschung gab, und stellte es irgendwie auf die Beine, dass ich kurzfristig einen Termin bei dem Mann bekam – bei Professor Bosch.
    „Sie leiden unter einer Mnestischen Blockade“, erläuterte mir der Professor fast mit Freude in der Stimme, nachdem ich mich den merkwürdigsten Untersuchungen unterzogen hatte. Wir saßen in seinem schmucklosen Büro, an dessen Wänden beeindruckend viele Diplome und Auszeichnungen hingen, und das, obwohl der Mann nicht viel älter als fünfzig sein konnte. Anders als mein Mann wirkte er aber auch altersgemäß – mit seinem gepflegten Vollbart und dem bequemen Anzug mit Ellenbogen-Patches.
    Mehrere Stunden hatte ich an diesem Tag mit dem Kopf in einem Kernspintomografen verbracht, während mir zahllose Sätze über mich und mein Leben vor meine Augen projiziert worden waren. Wahre Sätze, für die Christian Input geliefert hatte. Aber auch kompletter Unsinn. Meine Hirnströme reagierten auf beides gleich.
    „Wir konnten so nachweisen, dass Sie tatsächlich den Zugang zu Ihrer persönlichen Erinnerung verloren haben …“
    Das würde Frau Pohl nicht gerne hören.
    „Und ich fürchte, dass die Erinnerung auch nicht so schnell wiederkommen wird.“
    Das hörte wiederum ich nicht gerne.
    „Aber ich dachte, es legt sich in den meisten Fällen wieder.“
    „In den meisten Fällen, ja. Aber in den meisten Fällen gibt es tatsächlich eine physische Verletzung im Gehirn, die der Auslöser ist. Diese Verletzungen können verheilen, die Erinnerung kehrt zurück.“
    „Bei mir ist das nicht so?“
    „Nein, physisch ist es ein Klacks, was bei Ihnen passiert ist. Aber sehen Sie …“
    Er hielt mir einen Scan meines Gehirns vor die Nase. Ich wusste nicht einmal, wo oben und wo unten war.
    „Dieser Bereich hier ist der Hippocampus. Sehen Sie, das kleine Seepferdchen! Es ist bei Ihnen verkümmert.“
    „Verkümmert?“
    Was wollte er mir erzählen? Was für ein Seepferdchen?
    „Ja, wissen Sie, manchmal haben Amnesien mit Stress oder traumatischen Erlebnissen zu tun. Das ist ein noch sehr wenig erforschter Bereich der Medizin, aber ich gehe davon aus, dass es gute Gründe gibt, warum Sie Ihre Vergangenheit vergessen wollten.“
    Ich staunte den Professor an.
    „Sie meinen den
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