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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1
Autoren: Vanessa Mansini
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Stuhllehne und knallte auf ihren Kopf. Bei dem daraufhin einsetzenden markerschütternden Schreien fürchtete ich schon, dass nun auch das Kind eine Amnesie hatte. Der Sturz führte erst einmal aber nur zu einer beachtlichen Beule, zu einem durch nichts zu stoppenden Heulanfall und dazu, dass ich völlig überfordert war, als endlich Tom mit Aiden zurückkam.
    Der Vater trug nun einen Trainingsanzug, in dem er allerdings kein bisschen weniger attraktiv aussah. Er ertrug auch die nächste Kinderkrise mit stoischer Ruhe. Er nahm die jammernde Ava, begutachtete ihre Beule, beruhigte mich, versorgte Aiden mit einem neuen Kakao und war dabei auch noch charmant.
    „Nicht weiter schlimm. Sie ist einfach müde. Sie hatte keinen Mittagsschlaf.“
    Tatsächlich beruhigte sich das Mädchen, sobald er sich mit ihr in den Wartebereich gesetzt hatte, sie an sich drückte und ihr den Rücken streichelte. Während er dies tat, unterhielt er sich leise mit mir.
    „Was sagen denn die Ärzte? Kommt die Erinnerung wieder zurück?“
    Ich wusste nicht, warum er immer im Plural von Ärzten sprach, muss eine Privatpatientensache sein. Ich hatte bisher nur eine Ärztin gesehen. Andererseits hätte ich mich an weitere Ärzte sowieso nicht erinnern können.
    „Sie hoffen es“, sagte ich schulterzuckend. „Bisher hat sich aber noch überhaupt nichts getan.“
    „Macht Ihnen das Angst?“
    „Ein bisschen, ja.“
    „Meine Frau erinnert sich nicht mehr an den Unfall selbst. Die letzte Stunde davor scheint ihr zu fehlen. Das fanden wir bereits sehr beunruhigend. Aber gar nichts? Wie kommen Sie denn klar?“
    Ja! Genau so war es richtig! Mitfühlen, Sorge zeigen. Und nicht fünf Mal fragen, wo ich irgendein Auto geparkt habe, und ständig „krass“ sagen. Dieser Mann war mir so viel näher als mein eigener Ehemann, dass ich mir nichts mehr wünschte, als dass mein erster Gedanke an diesem Tag Realität gewesen wäre: Dass er mein Mann sein würde! Oder dass er mich zumindest so streicheln würde wie seine Tochter, die binnen Minuten unter seinen wunderschönen Händen auf seiner Brust eingeschlafen war.
    „Im Moment komme ich überhaupt nicht klar. Oder … Ich kann es noch nicht ganz ernst nehmen. Es ist so … Ich weiß nicht einmal, ob ich Kinder habe … oder Eltern.“
    Er staunte mich an.
    „War Ihr Mann nicht eben bei Ihnen?“
    „Doch, aber …“
    Weiter kam ich nicht, denn in dem Moment erschien hinter uns ein älterer Arzt, der von seinem Auftreten her mindestens der Chefarzt sein musste.
    „Herr Richter? Sie können jetzt wieder zu Ihrer Frau!“
    Alles in mir schrie „Nein“. Aber was konnte ich dagegen tun? Zumal es der Frau noch deutlich schlechter ging als mir. Das sah man auch am betretenen Gesichtsausdruck des Arztes, der Tom nun abholte.
    „Entschuldigen Sie mich, Trixi.“
    „Kein Problem!“
    „Wir sehen uns! … Komm, Aiden!“
    Mit der schlafenden Ava auf dem Arm und Aiden an der Hand ging Tom zu einem der Krankenzimmer, während ich mit meinen Leopardenfüßen im Wartebereich sitzen blieb. Ich wünschte mir so sehr, dass er wenigstens noch einmal zurückschauen würde, aber natürlich lag sein Leben in dem Krankenzimmer vor ihm. Ich war nur eine Kuriosität am Rande.

4
    Zurück in meinem Krankenzimmer musste ich mich erst einmal von meiner Bettnachbarin beschimpfen lassen, weil ich mit ihrem Bademantel und ihren Schlappen abgehauen war. Mir gehörte also die definitiv langweiligere Ausstattung in dem anderen Schrank. Warum die Frau sich insbesondere über das Fehlen der Hausschuhe so bitter beklagte, war mir ein Rätsel. Sie wurde wegen eines gebrochenen Beines behandelt und konnte sowieso nirgendwo hingehen. Als ich die entwendeten Sachen mit einem „Entschuldigung, ich bin ein wenig durcheinander“ ausgehändigt hatte, wurde sie sanfter, und berichtete, dass sie aus Kiel kam und zu Besuch in Berlin war.
    „Gestern nach der Party bin ich betrunken so blöd gestürzt, das glaubt mir kein Mensch!“, erzählte mir die Frau, der ich nun endlich weitere Fragen stellen wollte. Aber ich kam erst einmal nicht dazwischen.
    „Zehn Zentimeter Absatz, eineinhalb Zentimeter Plateau! Muss ich mehr sagen? Vielleicht noch: Berliner Gehwege und Schlaglöcher so tief wie ein U-Bahn-Schacht.“
    Sie lachte, war mir sympathisch. Sie musste so um die vierzig sein und stellte sich als Susanne Pohl vor.
    „Trixi Kwiatkowski“, sagte ich unsicher.
    Bisher waren sich alle einig gewesen, dass dies mein Name war, also
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