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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1
Autoren: Vanessa Mansini
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Handy zeigte, war das eines Autos. Kaum war die Ärztin draußen, hielt er es mir unter die Nase. Ein alter, halb verrosteter Volvo Kombi. Ich kannte die Automarke, ich erinnerte mich an diese Art von Autos. Aber ich erinnerte mich beim besten Willen nicht an das gezeigte Auto selbst.
    „Das ist unser Auto?“
    „Sagt dir gar nichts? Da kommt nichts hoch?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Du warst gestern damit unterwegs. Ich war zu ’ner Besprechung in München. Aber … ich kann die Karre nicht finden. Ich bin zwei Stunden unseren ganzen Kiez abgelaufen. Hoch und runter. Nichts! Ich musste heute Nacht mit dem Taxi fahren. Wir drehen doch draußen in Tegel.“
    Und so ging das weiter. Er klagte minutenlang, wie dumm es sei, dass er das Auto nicht finden konnte. Dabei erfuhr ich, dass er Produktionsleiter für Filmproduktionen war. Und dass gerade Dreharbeiten stattfanden, zu denen er eben ab und zu fahren musste. Mit dem Auto. Und es war offensichtlich doof, dass er nun mit dem Taxi fahren musste, weil weder wir noch die Filmproduktion so wahnsinnig viel Geld hatten.
    „Eigentlich macht’s auch null Sinn, dass du mit dem Auto gefahren bist. Als der Unfall war, kamst du von der Arbeit. Das ist nicht weit von uns. Warst du noch irgendwie unterwegs gestern?“
    Er stoppte endlich seinen Redefluss, schaute mich fragend an.
    „Ernsthaft?“, fragte ich ihn.
    „Okay, sorry, ich komme irgendwie nicht damit klar, dass du … dass du gar nichts mehr weißt!“
    ‚Frag mich mal!‘, dachte ich.
    „Was meinst du mit: Ich kam von der Arbeit?“, fragte ich ihn, während sich zum wiederholten Male sein Handy mit einer Nachricht meldete. Während er es herausholte und draufschaute, sagte er: „Na, in der Videothek.“
    „Ich arbeite in einer Videothek? Als was?“
    „Als … keine Ahnung … Wie heißen die denn, die da stehen und die Filme rausgeben? Videothekar?“
    Er grinste schief, schaute auf das Handy. Ich war ‚Videothekarin‘?
    „Du, sorry, ich muss jetzt los!“
    Er stand plötzlich auf und zog den abgetragenen Mantel über, der die ganze Zeit auf einem Stuhl neben mir gelegen hatte. Sein plötzlicher Aufbruch überraschte mich nicht nur. Er zog mir den Boden unter den Füßen weg. Ich hatte noch eine Million Fragen. Und wie es aussah, war Christian der einzige Mensch, der sie mir beantworten konnte. Das sagte ich ihm auch.
    „Ich weiß, aber … die Erinnerung kommt doch eh wieder! Und ich … Morgen bin ich ja auch wieder da.“
    „Morgen?“
    „Du, wir sind mitten im Dreh. Da geht alles drunter und drüber. Die Deppen haben jetzt auch noch ’ne 12 KW geschrottet.“
    Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte mich noch einmal souverän an.
    „Morgen, okay?“
    Dann eilte er zur Tür.
    „Christian? Habe ich auch ein Handy?“
    „Ist beim Unfall zu Schrott gegangen.“
    Er zuckte mit den Schultern, murmelte „Boah, jetzt muss ich mit der Bahn fahren!“ und verschwand. Ich blieb alleine zurück in dem Krankenzimmer mit einer leise schnarchenden Bettnachbarin und der Erkenntnis, dass mein Leben ein Desaster war. Ich hatte einen unsensiblen, viel zu alten Ehemann und einen langweiligen Hilfsjob in einer aussterbenden Branche. Ich wusste zwar nicht, wie ich mir mein Leben früher einmal vorgestellt hatte, aber ich hatte das Gefühl: So nicht!

3
    Ich musste eingeschlafen sein. Als ich wieder aufwachte, hatte man die Infusion an meinem Arm entfernt. Es war dunkel draußen. Ich hatte kein Zeitgefühl. Die Uhr an der Wand zeigte kurz nach fünf. Es konnte mitten in der Nacht oder am Nachmittag sein. Meine Bettnachbarin war samt Bett verschwunden. Draußen hörte ich Stimmen und Schritte. Dann wohl eher Nachmittag. Ich vermisste meine Bettnachbarin. Okay, ich kannte sie nicht, aber ich hatte so viele Fragen. Ich brauchte Menschen. Ich sehnte mich nach ihnen.
    Als ich aufstand, stellte ich fest, dass ich nicht einmal wusste, welcher der Schränke der meinige war. Ich hatte zwei zur Auswahl, beide mit Frauenkleidern. Der eine Schrank war überfüllt mit knallig bunten Klamotten, die eher körperbetont wirkten und leicht ins Exzentrische gingen. Der andere Schrank beinhaltete mehrfach das gleiche Outfit, Jeans, unauffällige, meist schwarze Oberteile, ein abgetragener weißer Bademantel aus dem „Nürnberger Hof“. Was war meins? Was passte besser zu mir? Es war für einen Moment so, als ob ich darüber zu entscheiden hatte, was für eine Frau ich sein wollte. Doch dummerweise fühlte ich mich
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