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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1
Autoren: Vanessa Mansini
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dampfte, der Junge schrie.
    „Sofort ausziehen!“
    Das war sein Vater, der plötzlich beeindruckend schnell handelte. Er drückte mir seine Tochter in den Arm, war mit zwei Schritten bei dem Jungen und riss ihm die Hose runter, nur um ihn dann rennend zur nächsten Toilette zu tragen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, heißes Wasser über mich selbst zu kippen, um derart von ihm gerettet zu werden. Aber ich hatte ja nun erst einmal das kleine Mädchen auf dem Arm, das erschrocken wimmerte.
    „Psssch“, machte ich und streichelte ihre feinen, blonden Haare. „Der Papa kommt gleich wieder.“
    Das Mädchen schaute mich unsicher an, hatte eine Träne im Auge und ein bebendes Kinn. Es brach mir das Herz. Und löste so ziemlich jeden Mutterinstinkt in mir aus, den man sich vorstellen konnte. Dabei wusste ich nicht einmal, ob ich selbst Kinder hatte.
    „Wie heißt du?“, fragte ich das Mädchen.
    Sie sagte nichts. Verstand sie mich nicht?
    „Ich bin die Trixi, zumindest sagt man mir das … Und du bist die … Mh? Wie heißt du? Mh?“
    Ich piekste sie ein wenig in ihren Bauch.
    „Ava“, sagte sie schließlich lachend und war nun abgelenkt genug, um nicht mehr weinen zu müssen. Auch das Heulen aus Richtung Toilette hatte nachgelassen.
    „Ava? Das ist aber ein schöner Name! Viel schöner als Trixi! Keine Ahnung, wie man auf Trixi kommt …“, murmelte ich und versank plötzlich in einem neuen Schwall an Fragen: Was haben sich meine Eltern bei dem Namen eigentlich gedacht? Wer sind überhaupt meine Eltern? Vor allem: Wo sind meine Eltern? Ich hatte einen Unfall, war stundenlang nicht bei Bewusstsein und sie sitzen nicht an meinem Bett? Sind sie tot? Ich wusste nicht einmal, ob ich Eltern oder Kinder hatte! Was für ein Mist!
    Da kam Avas Vater aber auch schon zurück, mit einem deutlichen ruhigeren Jungen, dessen Oberschenkel allenfalls noch leicht gerötet war. Dafür sah sein Vater aus, als ob er in seinem Anzug geduscht hätte.
    „Alles okay?“, fragte ich.
    „Ja, ist nicht weiter schlimm. Sorry, dass ich so einen Stress gemacht habe, aber Brandwunden müssen so schnell wie möglich gekühlt werden. Gott sei Dank gab’s da eine Dusche.“
    Er deutete zu dem Bad. Okay, also hatte er wirklich mit seinem Anzug geduscht.
    „Dürfte ich Sie noch um einen Gefallen bitten?“, fragte er.
    „Natürlich.“
    Alles. Ich hätte alles für ihn gemacht.
    „Ich habe Wechselsachen im Auto. Können Sie kurz auf Ava aufpassen, während ich sie hole? Ich glaube, Sie kommen ganz gut mit ihr zurecht.“
    Er lächelte schief. Aber in der Tat hatte die Kleine es sich auf meinem Arm gemütlich gemacht.
    „Okay, klar. Gerne. Ich warte hier.“
    „Danke!“
    Er lächelte mich noch einmal an, schaut dann zu dem Kind.
    „Ava, du Süße, bleibst du ein bisschen bei der Frau, ja? Papa ist gleich wieder da!“
    Er deutete auf mich. Ava nickte und sagte: „Fixi!“
    Im ersten Moment hörte ich „Fick sie!“ und schaute das Kind entsprechend entsetzt an.
    „Trixi!“, korrigierte ich sofort. „Ich heiße Trixi!“
    „Fixi!“, insistierte das Kind.
    „Die Frau heißt Trixi, meine Süße. Ja?“
    Die Kleine nickte eifrig und sagte: „Fixi!“
    Er schaute mich bedauernd, aber auch ein klein wenig belustigt an.
    „Es tut mir leid. Sie hört nicht so gut auf einem Ohr.“
    „Nicht schlimm. Ich hab ja auch noch Probleme mit dem Namen.“
    Er stutzte.
    „Sie wussten nicht einmal mehr, wie Sie heißen?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Das tut mir echt leid“, sagte er und ich konnte sehen, dass ihm das ernst war.
    „Es war ein Unfall“, sagte ich schulterzuckend.
    Er lächelte, ich lächelte. Es fühlte sich sehr verbunden an.
    „Ich bin gleich wieder da.“
    Er wollte mit seinem Jungen davon, blieb dann aber noch einmal kurz stehen und sagte: „Ich heiße übrigens Tom.“
    „Tom, freut mich.“
    Er lächelte wieder dieses unverschämt souveräne Lächeln. Und ging davon. Ich schaute die kleine Ava an, die mich freundlich anstrahlte.
    „Fixi!“
    Nach meinen schnellen Erfolgen mit der kleinen Ava war ich mir sicher, dass ich gut mit Kindern konnte. Vielleicht doch selbst welche hatte – auch wenn ich mich fragte, wieso sie bisher kein Thema gewesen waren. Während ich noch über diese Frage grübelte, stellte sich heraus, dass ich doch nicht so gut mit Kindern konnte. Oder zumindest konnte ich nicht einschätzen, wie gut eine Zweijährige klettern kann. Denn bereits nach wenigen Minuten fiel Ava von einer
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