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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1
Autoren: Vanessa Mansini
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mit beiden Angeboten nicht hundertprozentig wohl. Am Ende zog ich mir dann aber doch den feuerroten Bademantel aus kuscheligem Frottee über, dazu die passenden Hausschuhe, die aussahen wie Leopardenfüße.
    Ich hatte ein klares Ziel, als ich auf den Flur trat. Ich wollte nach „oben zu den Einzelzimmern“. Natürlich hoffte ich, ihn dort zu treffen. Ich hoffte aber auch auf Antworten.
    Es war kein Problem, die Station der Privatpatienten zu finden. Es war die, wo keine Betten mit schlafenden Patienten auf dem Flur standen, wo es nach Schokoladenkuchen duftete, wo frische Blumen den Wartebereich schmückten. Und wo er im Wartebereich saß. Mit seinen Kindern. Die kleine Tochter musste so um die zwei Jahre alt sein, konnte noch nicht richtig sprechen. Dennoch schaute sie begeistert plappernd mit ihrem Vater ein Bilderbuch an, während der ungefähr vierjährige Sohn gelangweilt den Kaffeeautomaten belagerte und einen Knopf nach dem anderen drückte. Beide Kinder waren wunderschön, gleichzeitig erfrischend lebendig und trugen perfekt ausgewählte, coole Klamotten. Genau wie ihr Vater, der mit großer Lässigkeit seinen anthrazitfarbenen Anzug trug. Das Einzige, was nicht perfekt wirkte, waren seine widerspenstigen, dunkelblonden Haare, deren wunderbares Chaos ihn aber nur noch attraktiver machte. Mit seiner Ruhe und Gelassenheit war er das offensichtliche Zentrum seiner Familie. Als ich die drei sah, wurde ich schlagartig traurig. Das Gefühl von früher am Tag, dieses unfassbar nahe Gefühl, stellte sich nicht wieder ein. Denn mir war nun klar, dass dies nicht meine Familie war. Die Erkenntnis tat weh. Ich konnte es kaum ertragen, die drei anzuschauen.
    „Papa, ich möchte einen Kakao“, rief der Junge.
    „Figa!“, sagte das Mädchen und zeigte auf einen Tiger in ihrem Buch.
    „Gib mir bitte ein Geld“, bettelte der Junge. „Ich will das selber machen!“
    Er zeigte auf den Automaten.
    „Ich kann das selber!“
    Der Mann lächelte, kramte dann ein Geldstück aus seiner Hosentasche.
    „Aber Vorsicht, Aiden, das ist heiß!“, sagte er, während er seinem Sohn das Geld reichte. „Weißt du, wo man für Kakao drückt?“
    Ich beobachtete das alles, wie man einen Film schaut. Ich hatte nicht das Gefühl, dass man mich sehen konnte. Dabei stand ich mitten im Gang. Als der Mann dem Jungen das Geld gegeben hatte, fiel sein Blick auf mich. Er war überrascht, lächelte aber sofort ein warmes Lächeln. Er schien mich zu erkennen.
    „Hallo!“
    Ich wurde nervös. Besonders, weil er nun durchaus beeindruckt meinen Bademantel und meine Leopardenfüße begutachtete. Danach schaute er mich mit seinen klaren blauen Augen fragend an, denn ich hatte immer noch nichts gesagt. Was wollte ich eigentlich hier? Ach ja.
    „Entschuldigen Sie, ich … Mh, ich wollte nur mal hören, wie’s Ihrer Frau geht.“
    Er stand mit seiner Tochter auf dem Arm auf, während der Junge sich mit dem eroberten Geld an dem Kaffeeautomaten zu schaffen machte. Er zögerte mit seiner Antwort.
    „Mh, ja, ihr geht es … ganz okay. Die Ärzte sind gerade bei ihr.“
    Er lächelte unsicher. Es klang nicht so, als ob es ihr wirklich gut gehen würde.
    „Ich muss da jetzt ganz blöd fragen, weil … Ich erinnere mich leider an gar nichts mehr. Was hat sie denn?“
    Das machte ihn noch unsicherer. Es tat mir leid, der Grund für dieses Unbehagen zu sein. In die kurze Stille hinein hörte man den Jubel des Jungen, der es geschafft hatte, den Kaffeeautomaten richtig zu bedienen. Ein Becher füllte sich mit Kakao.
    „Mh, sie … sie hat mehrere Brüche … Also, sie ist bei Bewusstsein. Aber … man weiß noch nicht genau, wie das alles werden wird.“
    „Das tut mir wahnsinnig leid“, sagte ich und meinte vor allem, dass er litt.
    „Es war ein Unfall.“
    Er zuckte mit den Schultern. Ich hätte ihn am liebsten umarmt. Er stand wenige Meter vor mir mit seiner Tochter auf dem Arm, die interessiert meine Schlappen musterte.
    „Sie können sich nicht an den Unfall erinnern?“
    „Ich kann mich an überhaupt nichts erinnern. Den Unfall nicht. Und auch sonst nichts. Ich wusste bis vorhin nicht einmal, wo wir hier sind.“
    Ich lächelte schief. Es klang absurd.
    „Wirklich?“
    Er konnte es nicht glauben. Doch bevor ich etwas antworten konnte, hörte man plötzlich den Jungen schreien. Er hatte sich offensichtlich bei dem Versuch, die Funktionsweise des Kaffeeautomaten zu erkunden, den kompletten heißen Kakao über die Hose gekippt. Die Hose
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