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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
Autoren: Gunnar Staalesen
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vorbei und Hellebust aus Oslo zurück war, konntest du ihm die Rechnung präsentieren. Du konntest sorglosen Tagen entgegensehen. Aber du brauchtest zwei Mithelfer. Den einen hattest du in Elise Blom, und Fräulein Pedersen war halbblind, durch die Art von Loyalität, wie sie Sekretärinnen nun einmal für ihren Chef empfinden. Oder sie freute sich auch nur über das Geld, das sie an sich raffen konnte. Das einzige, was ich nicht ganz begreife, ist die Beziehung zwischen euch beiden. Du warst jung und schön, damals«, wandte ich mich an Elise Blom, bevor ich ihn wieder ansah, »und du ein Typ mittleren Alters, der wegen Kollaboration verurteilt gewesen war.«
Elise Blom nahm ein wenig Haltung an. Die roten Flecken in ihrem Gesicht wurden allmählich blasser und darunter war Eis. Eine eigenartige Zärtlichkeit lag in ihrer Stimme, als sie ihn ansah. »Ich hab ihn geliebt, damals. Ich hätte absolut alles für ihn getan.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Später wuchsen wir zusammen, in der Form von Zusammenleben, wie sie alle Liebenden erleben, glaube ich. Die Wärme wurde zu Alltag, die Geheimnisse wurden zu bitteren Banden zwischen uns.«
»Und nichts kann zwei Menschen fester aneinander binden, als düstere Geheimnisse und gemeinsam begangene Verbrechen«, sagte ich.
»Nach den ersten Jahren und dem anfänglichen Verschweigen wart ihr immer noch aneinander gebunden. Du warst an ihn gekettet, und wenn du dich befreien wolltest, mußtest du selbst auch ins Gefängnis, erst einmal. Falls dir jemand glaubte, nach der langen Zeit. Falls etwas bewiesen werden konnte.«
Plötzlich lächelte Harald Wulff, ein breites, häßliches Lächeln, mit großen, gelben Zähnen. »Nein, denn es konnte nichts bewiesen werden. Und es wird nichts zu beweisen sein. In den letzten zehn Jahren ist kein Mensch hier in diesem Haus gewesen, außer ihr und mir. Ich kann dich erschießen und in eine Kiste auf dem Boden legen, und du kannst da liegen und vergammeln, jahrelang, und nichts wird bewiesen.«
»Aber dann bist du selbst tot«, sagte ich. »Wenn du blutest, bist du nicht weit davon entfernt – dann mußt du Hilfe haben. Verstehst du nicht? Das ist es nicht wert. Stell dich lieberund such dir die Behandlung, die du brauchst. Du bist doch jetzt sowieso alt, und wenn du so krank bist … Niemand wird …«
»Ha! Daß ich nicht lache. Wir, die während des Krieges auf unserer Seite gekämpft haben, wir kommen nie davon. Sie verfolgen uns bis ans Grab, wenn’s sein muß. Nachdem wir tot sind, verleumden sie uns. Der Führer, was für einen Nachruf hat er bekommen? Und die, die heute seinen Gedanken folgen, wie werden die behandelt – von der Presse, oder von den meisten Leuten? – Wie hießt du noch?« unterbrach er sich selbst.
»Veum«, antwortete Elise Blom.
»Varg Veum«, sagte ich, mit Betonung auf dem Vornamen.
Er nickte leicht. Der Name sagte ihm nichts, aber vielleicht wußte er gern die Namen der Leute, die er umbrachte.
Ich sagte: »Du kennst den Namen, den sie dir gaben, während des Krieges …?«
Er starrte mich kalt an.
»,Giftratte« ’, sagte ich.
Er zeigte wieder die Zähne. »Sie haben verdient, was sie gekriegt haben.«
»Aber Holger Karlsen …«
»Holger Karlsen war ein verdammter Bolschewist!« bellte er plötzlich.
»Ein ausgekochter Querulant, der kam und sich über die Arbeitsbedingungen beschwerte, nur damit er und die anderen Gewerkschaftsbonzen sich eine neue Feder an den Hut stecken konnten und die Arbeiter frei kriegten, bei voller Bezahlung. Ist dir klar, was es den Betrieb gekostet hätte, die Produktionshalle zu schließen, nur um eine Totalkontrolle durchzuführen? Hellebust sagte, sie sollten bis zu den Betriebsferien warten, und es dann tun, und dann bat er mich, Holger Karlsen im Auge zu behalten und Bescheid zu sagen, falls etwas passierte.«
»Es kostete dich also nichts, ihn umzubringen?«
»Ich hab ihn nicht umgebracht. Das Dach ist zusammengestürzt.«
Ich trat zwei Schritte vor und er schrie auf: »Halt!« Die Pistole schwang hoch und zielte direkt in mein Gesicht. »Keine Bewegung! Ich knalle dich einfach ab, Veum.« Das Gesicht war wild und rauh und brutal, und ich bezweifelte nicht, daß er meinte, was er sagte.
Ich hob abwehrend die Handflächen und trat zwei lange Schritte wieder zurück. »Ich wollte nicht …« Dann blieb ich stehen, den Kopf gebeugt wie ein Schuljunge vor einem strengen Rektor. »Aber ich habe mit einem gesprochen, der selbst in der Produktionshalle war an
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