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Im Auge des Orkans

Im Auge des Orkans

Titel: Im Auge des Orkans
Autoren: Marcia Muller
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das Projekt finanziert —
Neal Oliver, ein alter Freund von Evans.« Patsy trank ihr Glas aus.
    Ich ergriff die Flasche und schenkte
nach. »Möchtest du jetzt essen?«
    »Noch nicht. Ich muß dich erst noch
etwas fragen.«
    Ich lehnte mich zurück. »Okay.«
    »Shari«, begann sie, meinen Kosenamen
verwendend, den sonst nur unser Vater gebrauchte. »Könntest du uns wohl da
draußen besuchen kommen?«
    »Natürlich. In zwei Wochen habe ich
Urlaub und — «
    »Nein, ich meine sofort, noch heute.«
    Ich runzelte die Stirn. »Was ist los,
Patsy, stimmt etwas nicht?«
    »Also, ja, ich meine, ich glaube, daß
etwas nicht in Ordnung ist. Die andern meinen, ich mache zuviel Aufhebens
davon, aber... ich weiß nicht, es ist alles so seltsam, und ich dachte, da du
doch Detektiv bist...«
    Aha! Verwandte eines Rechtsanwalts
fragen ihn um Gratisrat, ein Arzt muß die Krankheiten seiner Familie über den
Eßtisch hinweg diagnostizieren. Aber bis jetzt hatte noch keiner meiner Familie
meine Dienste als Schnüffler in Anspruch genommen. Die meisten taten lieber so,
als wüßten sie nicht, was für einen seltsamen und in ihren Augen unpassenden
Beruf ich hatte.
    Als hätte sie meine Gedanken lesen
können, sagte Patsy: »Ich möchte nicht, daß du es umsonst tust. Wir würden
dafür bezahlen — oder vielmehr, ich würde dafür bezahlen. Ich hab fast den
ganzen Verkaufserlös aus der Farm auf der Bank.«
    Ich machte eine abwehrende Geste. »Weiß
Evans Bescheid?«
    »Ja, alle. Er und die andern waren
nicht begeistert, aber da ich sowieso herkommen wollte, um mich in den
Einrichtungsgeschäften umzusehen — «
    »Augenblick mal, wieso
Einrichtungsgeschäften?«
    »Ach ja, du weißt das ja noch nicht.«
    »Ich weiß überhaupt nichts. Ich
wußte nicht mal, daß du umgezogen bist.« Es klang etwas vorwurfsvoll, aber
meiner Meinung nach nicht ganz zu unrecht.
    Patsy hatte den Anstand, etwas beschämt
auszusehen. »Ich war in letzter Zeit keine besonders gute Schwester, was?«
    »Ach, schon gut. Erzähl mir einfach
mehr von diesem Bootelprojekt.«
    »Also gut. Wir sind zu sechst. Neal und
Evans und zwei Frauen, die eine kümmert sich um den Hafen, die andere ist der
geschäftliche Manager. Ein Bauunternehmer und ich. Ich bin für die
Inneneinrichtung verantwortlich.« Die letzten Worten klangen richtig stolz, wie
ein Kind, das zum erstenmal Zeitungen ausgetragen hat.
    »Ich finde, sie haben eine gute Wahl
getroffen.«
    Sie lächelte — das erste echte Lächeln,
seit sie gekommen war. »Okay«, fuhr ich fort. »Erzähl mir von deinen
Schwierigkeiten. Wenn du sie wirklich nur aufbauschst, wie die anderen meinen,
kann ich dir vielleicht helfen, sie wieder in der richtigen Perspektive zu
sehen.«
    »Also... es hat gewisse Vorkommnisse
gegeben. Die unsere Pläne behindert haben. Wir hatten fünf Arbeiter, Leute aus
der Gegend, und nach ein paar Wochen kamen sie einfach nicht mehr. Sie sagten
nicht warum.
    Letzten Monat gab es einen Sturm, und
alle Kanus, die wir neu gekauft hatten, machten sich los, und die meisten
sanken.«
    »Kann das der Sturm gewesen sein?«
    »Die Frau, die für den Hafen zuständig
ist, kennt sich aus und meint, nein. Und der Fährschiffer glaubt es auch nicht.«
    »Weiter.«
    »Als nächstes gab es eine
Küchenschabeninvasion, in allen Schränken, in den Nahrungsmitteln.«
    »Ist das in einem so alten Haus etwas
Ungewöhnliches?«
    »Ja, weil bis jetzt keine da waren.
Außerdem ist jetzt nicht die Zeit, wo sie aus den Eiern schlüpfen. Und die
waren völlig ausgewachsen.«
    Ich war mir über den Werdegang von
Küchenschaben nicht so sicher und sagte deshalb nur: »Und weiter?«
    »Neals Bruder kommt morgen aus
Michigan, um sich den Besitz anzusehen. Er sagt, er sei gewarnt worden, daß
Neal sich in eine zu große Sache eingelassen hätte, und wollte sich überzeugen,
ob es eine solide Investition ist.«
    »Was geht es ihn an?«
    Patsy wurde fast verlegen. »Also, Neal
hat schon geerbt, aber seine Eltern haben eine Art Trust aus dem Geld gemacht,
und sein Bruder verwaltet ihn, er ist Finanzberater. Sein Bruder kann ihm den
Hahn zudrehen, wenn er glaubt, er investiert falsch.«
    »Warum haben die Eltern das gemacht?«
    »Ach, weil Neal nie richtig gearbeitet
hat. Noch als er auf dem College war, hat er von seinem Großvater Geld geerbt.
Und davon hat er immer bequem gelebt. Seine Eltern billigten seine Nichtstuerei
nicht, und deshalb haben sie Sam zwischengeschaltet.«
    »Sam ist der Bruder?«
    »Ja. Er braucht nur
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