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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als schliefe sie … Sie verstand plötzlich, warum die Ipaks ›die Weiße‹ zum Schutzgeist ihres Stammes gemacht hatten und erinnerte sich wieder an den Tiger, den sie damals mit ihrem Vater im Fluß beobachtet hatte. Es war ihr, als schließe sich ein Kreis.
    Sie gab ihm die Bilder zurück.
    Sie sahen sich an und sprachen lange nichts.
    Maya ging auf die Terrasse zurück. Er folgte ihr und setzte sich neben sie.
    Doch was sollte, was konnte sie ändern?
    Dan drehte sich um. Sie berichtete ihm von dem Gespräch, und er sah sie ungläubig an. Er sah sie sehr lange an, wieder mit diesem forschenden, intensiven Blick. Dann grinste er: »Gut. Nächste Woche fahre ich nach Kualang.«
    »Zähne richten lassen?«
    »Zähne richten lassen.«
    Er ließ sich in seinen Sessel fallen. »Soll ich dir eine Geschichte erzählen? Willst du sie hören?«
    »Was für eine Geschichte?«
    »Die Geschichte von einem jungen Mädchen und einem jungen, unreifen Typ, der irgendwo in seinem Campus in den USA auf die Schnapsidee kommt, als richtiger Biologe müßte man den malaiischen Regenwald kennenlernen … Dabei hat er noch ein Riesenglück gehabt. In Malaysia nämlich traf er einen fantastischen Lehrer. Und dazu hatte der noch eine Tochter, die war nicht weniger fantastisch, nur leider zu jung … Trotzdem verknallte er sich unsterblich in sie.«
    »Und dann?«
    »Dann starb der Lehrer. Er wurde umgebracht. Der Tochter ließ dies keine Ruhe. Sie hatte ihren Vater verloren. Sie verließ Malaysia. Sie kämpfte und suchte einen Mörder. Dieses Kämpfen und Suchen wurde zum Gesetz ihres Lebens … Doch eines Tages kam sie zurück.«
    »Ja«, sagte Maya. »Und der Mörder wurde gefunden …«
    »Stimmt. Der wurde gefunden. Und nun sind sie wieder alle drei zusammen, der Lehrer, der junge Mann und die Tochter.«
    »Und sind dort, wo sie hingehören«, sagte Maya.
    »Ja«, nickte er. »Das auch.«
    Längst war die Monsun-Zeit vorüber.
    Der Fluß führte wenig Wasser, war schmal geworden, und das große, orangefarbene Schlauchboot mit der Aufschrift ›Taong-Station‹ hatte einige Schwierigkeiten beim Anlegen am Steg.
    Maya erhob sich von ihrem Sitz auf der Terrasse und sah zu, wie Tara Dan, der die Ankunft des Bootes erwartete, die Festhalteleine zuwarf.
    Nun sprangen sie ans Ufer.
    Ihre Lendenschurze hatten sie um, doch dazu trugen sie die gefleckten Jägerwesten mit dem Sultans-Wappen von Jorak, auf die sie sehr stolz waren und die sie auch ungeheuer praktisch fanden, weil sich in den vielen Taschen außer Sammelstücken wie Nüssen und eßbaren Wurzeln auch die Patronen für ihre Gewehre verstauen ließen. Die Blasrohre blieben in den Hütten. Die Gewehre aus den Beständen der Sultans-Leibwache waren zu ihrem kostbarsten Besitz geworden. Der letzte, der ans Ufer kam, hatte sogar ein tragbares Funkgerät auf dem Rücken, das zur Verständigung mit der Station und gleichzeitig zum Auffangen der Peilsignale diente.
    Alle fünf Jung-Tiger, die drei, die Dan für das Auswildern vorbereitet hatte, und die zwei kräftigen Söhne der ›Weißen‹ waren noch am Leben. Und alle fünf hielten sie sich, so als seien sie durch eine unsichtbare Nabelschnur mit Taong verbunden, in den Wäldern um die Station auf. Und es war auch so etwas wie eine Nabelschnur: Taong garantierte ihnen nicht nur Nahrung, sondern vor allem Schutz. Da war kein Wilderer, der es noch mit der Ranger-Streitmacht aufzunehmen wagte, die die drei Wald-Stämme der Senoi für Taong stellten.
    Es hatte sich viel geändert.
    Dan kam den Weg hinauf, rannte über die Terrassentreppe und zeigte Maya sein strahlendweißes, geradezu erschreckend tadelloses Gebiß … Und dann streckte er den Arm aus.
    »Laß das!«
    »Muß ich doch.« Sie fühlte seine warme Hand auf ihrem Bauch: »Der verhält sich ganz brav und ruhig.«
    »Der oder die. Ruhig nicht …«
    Sie spürte die Bewegung tief in ihrem Innern und lächelte.
    Dan warf sich in den Sessel: »Stell dir vor, Tara hat heute die beiden Jungens der Weißen gesehen. Bei den Felsen … Sollen ganz prächtige Exemplare sein. Komisch, ich hab's nie geschafft, sie zu beobachten …«
    »Du bist nicht Tara. Und außerdem, Dan, mach es dir nicht so bequem. Wir wollten doch Ricks Sendung zu Ende sehen …«
    Er nickte, erhob sich und folgte ihr in das verdunkelte Zimmer. Der Video-Rekorder war gerade vier Wochen auf der Station – neu wie der Generator, die Parabol-Antenne, die Mikroskope und Untersuchungsgeräte, die jetzt in dem
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