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Im Auftrag des Tigers

Im Auftrag des Tigers

Titel: Im Auftrag des Tigers
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man ihn dorthin bringt, wo er hingehört. An den Galgen. Das wird geschehen. Dafür werde ich sorgen, Mr. Martin.«
    Er unterbrach sich. – Was haben sie alle? dachte Maya. Und dieses merkwürdige Schweigen? …
    Dan Carpenter erhob sich, machte zwei, drei Schritte, wandte den Kopf zum Fenster, blickte dann wie unter einer Anstrengung wieder zu Maya hin.
    »Ich finde, wir sollten nicht länger warten, es hat keinen Zweck.« Dan atmete tief. »Maya! Ich glaube, wie ich zu deinem Vater stand, weißt du. Und du weißt auch, wie sehr ich ihm dankbar bin. Alles, was aus mir geworden ist, verdanke ich schließlich ihm.«
    Sie versuchte ein Lächeln, aber irgendwo in ihr war eine Ahnung, saß noch wie gefangen, befreite sich, setzte zum Sprung an. Ihr Lächeln verschwand.
    »Und irgendwie«, hörte sie Dan, »irgendwie war er auch mein Vater.«
    »Ja. Dan. Und?«
    Er sagte es: »Dein Vater ist tot, Maya.«
    Sie nickte, nickte ganz automatisch. Doch dann wurden die vier Worte zum Schlag und zerrissen mit einem Mal die Kette aller Vergeblichkeiten, die sie umfangen hielt. Im Grunde, das wurde ihr jetzt klar, hatte sie diesen Satz stets erwartet, hatte immer gewußt, daß sie ihn einmal würde hören und akzeptieren müssen …
    »Bernier hat ihn umgebracht … Er hat auch das gestanden … Ich habe es im Protokoll. Du kannst es lesen. Es passierte irgendwo in Ohio. Vor Jahren. Und es passierte im Auftrag von Wang Fu …«
    Sie schlief in dieser Nacht wie eine Tote. Sie schlief bis in den nächsten Nachmittag hinein … Nun war sie wach und überrascht, daß kein Alptraum ihr den Schlaf zur Hölle gemacht hatte. Zumindest konnte sie sich nicht erinnern.
    »Alles, was geschieht, ist gut.« Einer der vielen Sätze Rabindras, an die sie immer denken würde. Sie verspürte wenig Lust, nach der darin verborgenen Weisheit zu suchen, sicher hatte er recht – aber ausgerechnet er mußte es sagen? Und warum nicht? … Tot? Er war nicht tot. Er lebte.
    Auf dem Küchentisch stand die Thermosflasche mit Kaffee. Und an ihren schwarzen Sockel gelehnt, flüchtig auf das Innere einer aufgerissenen Aspirin-Packung gekritzelt eine Notiz von Dan: sie solle sich den Kaffee schmecken lassen, er habe zu tun und käme gegen sechs Uhr zurück.
    Sie ging im Hemd auf die Terrasse, die Tasse in der Hand, und trank in kurzen Schlucken. Der Fluß dort unten unterhielt sich mit sich selbst, die Affen blieben überraschend ruhig, und über den roten Hibiskus-Büschen spielten zwei Kolibris.
    Eine Stille, die keine Grenzen kannte. Der Platz, wo gestern die Hubschrauber gestanden hatten, war leer. Rick Martin war mit den anderen nach Kualang geflogen. Rastlos wie stets. Er lebte von Reserven, die sie nicht an ihm kannte. Abdullah, hatte er noch gesagt, würde ihm in seinem Palast all die Unterlagen über den ›Fall Tenenga‹ zeigen, von denen er gesprochen hatte. Rick würde sie abschreiben oder abfotografieren, und sich somit neues, vielleicht das entscheidende Material für den Bericht beschaffen, der bereits zu Beginn des nächsten Monats über den Sender laufen sollte … Ach Rick! dachte sie, Rick, der es immer so wichtig, so eilig hat, der bohrt, kämpft, nie aufgibt, Rick, der Besessene …
    Es hatte sich alles verändert.
    Sie beobachtete die Kolibris über den Hibiskus-Blüten …
    Dan Carpenter kam kurz vor sieben Uhr zurück, schwitzend und erschöpft, Gesicht und Arme übersät von blutigen Kratzern. »Alles voll Ratten dort am Felsen«, sagte er und holte sich in der Küche das Fläschchen mit Merkurium, um seine Wunden zu desinfizieren. Sie half ihm. Mit all diesen roten Merkurium-Klecksen sah er noch schlimmer aus als zuvor, aber er grinste.
    »Eine Krankenschwester im Haus, davon hab' ich schon immer geträumt …«
    »Kann ich mir denken«, sagte sie. »Wo hast du dir das geholt?«
    »Ich war wieder am Felsen oben. Auf der anderen Seite. Im Busch. Ich fand die Spuren der Jungen. Ich fand sie ganz in der Nähe der Stelle, wo wir die Mutter begraben haben. Komm, ich zeig dir was …«
    Er erhob sich, zog die Schublade des Küchentischs heraus und entnahm ihr einige Polaroid-Aufnahmen. »Das ist sie!«
    Er gab ihr die Fotos in die Hand, und sie legte sie auf den Tisch.
    »Ich hab' sie gemacht, ehe wir sie unterhalb des Felsens eingegraben haben.«
    Auch im Tod wirkte die Tigerin mächtig und wunderschön. Ihr Fell schimmerte wie Silber. Sie lag auf der Seite, die Beine weit von sich gestreckt, die Augen geschlossen, vollkommen entspannt, so
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