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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal
Autoren: Hans Baumann
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der Mauer und rannte. Viele Häuser brannten bereits. Ich rannte durch Rauch. Ich schrie Vater! Mutter! Bruder! Wie ich in die Nähe unseres Hauses kam   – ich weiß es nicht, weiß auch nicht, was mich traf und zu Boden warf. Rings um mich standen Wände aus Feuer. Mit einem Schlage wurde es um mich Nacht.

2
    Als ich wieder zu mir kam, stand vor mir ein Elefant, der nur einen Stoßzahn hatte. Der Elefant war so nah, dass er den halben Himmel einnahm. Ich sah an ihm empor. Auf seinem Kopf war etwas, das mich in Erstaunen setzte. Es war ein dichtes Büschel langer, rötlicher Ruten. Mir schien, als säßen Schmetterlinge von gleicher Farbe auf ihnen. Ich suchte dahinter zu kommen, was es wirklich sein könnte. Der schreckliche rote Federbusch fiel mir ein, den alle Elefanten beim Anrücken gegen die Mauern getragen hatten. Von ihm war nichts zu bemerken   – auf dem Kopf des Elefanten war überhaupt nichts mehr, als ich genauer hinsah. Es war heller Tag, ich suchte die Sonne. Sie musste hinter dem Elefanten stehen, da sie nirgendwo zu sehen war. Also war es die Sonne gewesen, die rote Ruten auf den Schädel des Elefanten gepflanzt hatte: wie sie Strahlenbüschelüber den Horizont schiebt, ehe sie aufgeht   – so sagte ich mir. Aber warum waren sie dann plötzlich weg? Weder der Elefant noch ich hatten uns bewegt. Es konnte nur vom schärferen Hinsehen sein, dass der seltsame Strauch so plötzlich verschwunden war; der Blick hatte ihn abgeschnitten, anders konnte ich es mir nicht erklären.
    Den gewaltigen Schädel hielt der Elefant ein wenig schief. Ich konnte das eine Auge gut sehen. Aus diesem Auge, das nicht größer war als das eines Pferdes, sah mich der Elefant ruhig an. Er tat nichts, was mich hätte erschrecken können. Ich hatte erst Angst, als der Treiber mich ansah. Sein Gesicht, das von einer Narbe geteilt war, ließ mich Schlimmes fürchten. Da sah ich, wie der Elefant den Treiber mit dem einen Stoßzahn berührte, ich hörte, wie der Mann und der Elefant sich miteinander berieten. Dann zog mich der Treiber aus dem Schutt. Während ich mich auf meinen Füßen zurechtzufinden suchte, versicherte mir der Mann, dass der Elefant für mich eingetreten sei.   – Er hat seinen künftigen Treiber in dir erkannt, sagte er, einen Treiber soll ich aus dir machen.   – Ich verstand ihn, obwohl er unsere Sprache schlecht sprach. Den Elefanten redete er mit Suru an. Da wusste ich, wie der Elefant hieß. Auf ihm ritten wir schließlich ins Lager. Ich ließ alles mit mir geschehen. Es war zu ungeheuer, plötzlich von einem der Elefanten getragen zu werden, die Mauern eingedrückt hatten. Suru stieg mühelos über die Trümmer. Ich staunte, wie leise sich ein Koloss von solchem Ausmaß bewegt. Die Füße setzte er nieder, als habe er kein Gewicht. Ohne je unsicher zu werden, fand er aus der zerstörten Stadt. Später bemerkte ich den eisernenHaken, der am Sattel hing. Der Treiber brauchte ihn nicht. Im Lager zeigte er mich den anderen Treibern. Sie redeten ihn mit Karthalo an. Karthalo erzählte jedem, der es hören wollte, dass Suru es war, der mich entdeckt hatte. Er ließ mich auf die Erde legen und machte den Elefanten. Er kam auf mich zu, setzte mir einen Fuß auf die Schulter und hob ihn sofort wieder ab. Er ging zwei Schritte zurück, blieb stehen und drehte den Kopf so weit, wie es ein Elefant kann. Ich ließ alles über mich ergehen und sah zu Suru hin, der in der Nähe neben einer Reihe anderer Elefanten angepflockt war. Was um ihn vorging, schien ihn nicht zu kümmern. Der graue Riese schwankte hin und her wie ein Schiff, das vor Anker liegt und der Dünung ein wenig nachgibt. Es beruhigte mich, ihn hin und her schwingen zu sehen. Und dann ertappte ich mich dabei, dass ich versuchte, in Gedanken mit Suru zu reden.
    Karthalo fasste mich an der Schulter. In dem fehlerhaften Iberisch, das die Karthager sprachen, die ein paar Jahre im Lande waren, sagte er: »Komm mit, du gehörst nun zu uns.«
    Ich stand auf und sah ihm dabei ins Gesicht. Die Narbe zwang mich zu denken: Er trägt einen Blitz im Gesicht. Immer noch hatte ich vor ihm Angst, obgleich er so viel für mich getan hatte. Er führte mich in sein Zelt und wies mir einen Platz an. Er gab mir eine Decke. Dann teilte er mit mir, was er zu essen hatte, und bei allem, was er mir gab, nannte er das karthagische Wort und sagte: »Bald wirst du reden wie wir.«
    Als ich gegessen hatte, war ich todmüde. Er sah es   – für alles hatte er einen Blick.
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