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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal
Autoren: Hans Baumann
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scharf ab. Erst war sie nur halb zu sehen. Sie zögerte, ehe sie sich hervorwagte. Da sah ich, dass der Schwanz bis auf einen Stummel fehlte. Die Eidechse huschte ein Stück, hob den Kopf und wendete ihn mit leichtem Ruck. Karthalo hatte sich vorgebeugt; einladend legteer die Hand an die Erde, die offene Fläche nach oben. Neugierig kam die Eidechse näher, vielleicht angezogen vom glänzenden Lederband. Sie schlüpfte auf die Hand   – Karthalo machte sie rasch zu. Ich hatte noch einmal Angst. Aber da nahm Karthalo die Eidechse zwischen zwei Finger und deutete auf den Schwanzstummel.
    »Wächst wieder nach«, sagte er und ließ die Eidechse laufen. Dann klopfte er mir auf die Schulter. »Suru«, erinnerte er mich und stand auf.
    Da ging ich mit ihm.

3
    Für die Elefanten brach eine Zeit an, in der sie Elefanten sein durften.
    Der Krieg war zu Ende. Die kühlere Zeit stand vor der Tür und die Söldner, die um Urlaub nachgesucht hatten, waren bis zum Frühjahr in ihre Heimat entlassen: in die Berberei, auf die Balearen, in nahe oder entlegene Dörfer Iberiens. Besatzungen wurden lediglich in den Bollwerken und Wachtürmen längs der Küste belassen. Im Lager blieben Wachen zurück, in der Hauptsache Numidier und Spartaner.
    Das Lager war unweit von Neu-Karthago errichtet, der Hauptstadt des Landes. Auch sie lag am Meer und war rasch aufgeblüht. Ihr Hafen war nach Süden hin offen wie der von Sagunt. Es ging kaum ein Tag hin, an dem nicht Schiffe zwischen dem alten und demneuen Karthago unterwegs waren. Sie trugen Silber, Bauholz und Söldner nach Afrika und brachten von dort begehrte Dinge, vom Elfenbein bis zu Sklaven, und das meiste davon blieb nicht in der neuen Karthagerstadt, sondern wurde weiterverhandelt. Viele Söldner fanden die Stadt so verlockend, dass sie ihre Heimat darüber vergaßen. Auch die Wachen verbrachten viel von ihrer freien Zeit dort. Ins Lager zurückgekehrt, prahlten sie mit dem, was sie in der Stadt erlebt hatten. Manches davon war nicht für meine Ohren bestimmt, aber meist waren sie zu betrunken und nicht imstande, Unterschiede zu machen. Ein Karthager, der lange Jahre zur See gefahren war, pflegte den Sonnenaufgang auf dem Felsen beim Hafen abzuwarten, nicht der Sonne, sondern der Schiffe wegen, die um diese Zeit in Neu-Karthago einliefen. Manche kommen mit blutroten Segeln, erzählte er. Ich kannte das von Sagunt her, von der neuen Stadt aus wollte ich es nicht sehen.
    Die Elefanten gaben mir genügend zu tun, vor allem Suru. Ihn hatte ich zu füttern und sauber zu halten, soweit er es nicht selbst besorgte. Je näher ich den gewaltigen Burschen kam, umso erstaunlicher wurden sie mir. Alles an ihnen war außergewöhnlich, auch ihr Durst und ihr Hunger. Suru verzehrte mit Leichtigkeit jeden Tag an die hundert Pfund, nicht gerechnet, was er mit seinem Rüssel in sich hineinsog. In seinem Rüssel hatte ein Eimer Wasser leicht Platz, er sog ihn auf, hob den Rüssel und spritzte das Wasser in seinen Schlund. Auch feste Nahrung nahm er mit dem Rüssel und schob sie ins Maul. Dabei war er wählerisch, ließ viel von dem liegen, was ich ihmbrachte, und es konnte vorkommen, dass er einen Zweig nur deshalb verschmähte, weil er nicht glatt genug abgehackt war, oder er hatte auszusetzen, dass verwelkte Blätter dran waren. Wenn er Zweige von Bäumen holte, war er nicht so streng. Sich selber ließ er zersplitterte Bruchstellen durchgehen. Am liebsten hatte er sich alle seine Mahlzeiten ohne unser Zutun gesucht, darin unterschied er sich nicht von den anderen. Näscher waren sie allesamt, rindeten Bäume ab, um an saftige Stellen zu kommen, zogen mit ihren Stoßzähnen Furchen, um Wurzeln freizulegen, rupften Grasbüschel aus und ließen sie fallen, sobald sie ausgekaut waren, und wenn sie Zwiebeln gewittert hatten, knieten sie nieder, gruben auf oder bohrten mit ihrem Rüssel so lange, bis die Leckerbissen zutage gefördert waren. Wenn die Sonne stach, was jetzt selten der Fall war, konnte es vorkommen, dass sie sich mit einem Zweig Kühlung zufächelten, um sich schließlich den Wedel einzuverleiben. Bäume, auf denen sie Früchte entdeckten, schüttelten sie mit dem Schädel, bis die Früchte herunterfielen; sie wurden dabei nicht leicht ungeduldig, doch wenn der Baum kein Einsehen hatte, setzten sie die Stoßzähne wie Brechstangen an, sprengten den Wurzelstock und fällten den Baum.
    Suru besaß nur noch einen Stoßzahn, den rechten, und ich sah nie, dass er mit ihm gewalttätig vorging.
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