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Ich zog mit Hannibal

Ich zog mit Hannibal

Titel: Ich zog mit Hannibal
Autoren: Hans Baumann
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Als ich Karthalo daraufhin ansprach, sagte er: »Er hat eben nur noch den Schmuckzahn   – sein Diener ist ihm weggelaufen.«
    Bei allen Elefanten hieß der linke Stoßzahn Gumbiro, was Diener bedeutet, offenbar, weil die Elefantenvor allem ihn zum Graben und Stemmen benutzten, während sie Lugori, den rechten Zahn, schonten, um ihn möglichst unabgenutzt zur Schau zu tragen. So wenigstens sagten die Treiber. Wenn Karthalo von Suru oder anderen Elefanten zu erzählen anfing, war ein Ende so wenig abzusehen wie bei einem Brunnen, der bis zum Rande voll ist. Er konnte mir genau sagen, warum mir Surus Fuß nicht die Schulter zermalmt hatte. »Sie haben Polster in ihren Füßen versteckt«, eröffnete er mir, »überhaupt muss in ihnen etwas sein, das kein anderes Tier hat. Selbst mich, der schon so lange mit ihnen zu tun hat, verblüfft immer wieder, wie locker solch ein Koloss ein Hindernis nimmt, sich niederlegt oder aufsteht.« Karthalo verriet mir nicht nur ein Elefantengeheimnis. Eines Tages sagte er: »Jeder Elefant zeigt mit dem Fuß, wie hoch er ist. Zweimal der Umfang seines Fußes   – so groß ist der Bursche! Und weisst du, wie weit diese Säulen in einer Nacht tragen, wenn ein Elefant ausreißt? So weit, wie ein Pferd kaum in zehn Stunden kommt. Auf seine Beine kann der Elefant sich verlassen. Noch mehr auf die Ohren! Sie stellt er wie Fallen und fängt mit ihnen den geringsten Laut: wenn ein Zweig knackt oder ein Vogel auffliegt.« Am höchsten pries Karthalo den Rüssel. »Mit ihm schlägt er alles«, behauptete er, »nimm es, wie ich es sage: Ein Hieb genügt, um einen Menschen niederzustrecken oder einem Löwen das Kreuz zu brechen. Der Rüssel ist für den Elefanten Nase und Trinkschlauch, Waffe und Hand, mit der er die kleinste Münze aus dem Staub fischt, wenn du es ihm nahe legst. Mit ihm packt er sich kühlenden Schlamm auf den Rücken oder bohrtWasserlöcher, und wenn er sich angegriffen fühlt, lässt er den Rüssel zur Schlange werden, die sich drohend aufstellt.« Karthalo geriet in Begeisterung, wenn er auf Surus Rüssel zu sprechen kam. »Sieh ihn dir genau an! Er hat nur einen ›Finger‹ an der Spitze seines Rüssels, nicht zwei wie die anderen Elefanten, so wie er auch nur einen Stoßzahn hat.« Er verhehlte mir nicht die Schwächen der Elefanten. »Dort, wo der Schädel ansetzt, dort kamen sie zu kurz. Keiner von ihnen kann sich umsehen und noch dazu sind ihnen die großen Ohren im Weg. Von hinten ist ein Elefant leicht anzugreifen, das weiß er und deshalb fühlt er sich nie so ganz sicher. Der Nacken ist sein schwacher Punkt, von ihm kann er keinen abschütteln   – und dort sitzen wir und haben ihn in der Hand.«
    Vieles entdeckte ich selbst an den Elefanten. Es verging kein Tag, an dem ich nicht mit ihnen zu tun hatte. Nachts war ich ihnen so nahe, dass ich spürte, wo sie im Dunkel standen. Es waren insgesamt vierzig. Bald kannte ich alle Namen. Und sie kannten mich.
    Karthalo hatte Recht: Von hinten waren sie nicht ernst zu nehmen. Hinten schlotterten sie; da gab es Falten, als habe der Koloss hinten früher als vorne zu wachsen aufgehört. Nur der Schwanz sah bedrohlich aus, vor allem die Spitze, von der Borsten wie Nägel abstanden.
    Allmählich verstand ich auch, was sie sagten. Wenn ihnen etwas behagte, kam aus ihrer Kehle ein Murmeln. Machte ihnen eine Sache Spaß, so quiekten sie vorne im Rüssel. Bei Beratungen untereinander war ein Gebrumme zu hören. Furcht gaben sie durchPoltern aus tiefer Brust zu, Wut durch ein Grollen, das denken ließ, der Elefant sei am Zerbersten; und einmal, als ein Bulle auf einen anderen losging, brach aus ihm ein so schrecklicher Laut, dass ich fror. Doch gewöhnlich kamen sie gut miteinander aus, auch mit den Treibern, die sich Indos nannten und von denen jeder so tat, als wären alle anderen Elefanten nichts gegen den seinen. Jeder sah seinen Elefanten als ein Stück seiner selbst an und wehe dem, der sich einfallen ließ, abfällig über einen Elefanten zu reden! Er konnte mit einem Denkzettel rechnen.
    Die kühleren Tage machten den Elefanten nichts aus. Hitze setzte ihnen mehr zu als Kälte und selbst jetzt nahmen sie gelegentlich in den Mittagsstunden ein Staubbad, besonders dann, wenn sie fanden, es wäre Zeit, die lästige Fußfessel loszuwerden und zum Fluss zu trollen, der dort, wo er dem Lager am nächsten kam, eine breite Furt hatte. Manchmal warfen sie auch nur Staub auf, um sich zu vergewissern, woher der Wind wehte.
    Staub
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