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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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meinen Fingern. Er redete mit mir über mein Leben in London, über meine Freunde, die sich immer wieder gemeldet hatten und mich bald sehen wollten … über Anna und Ben.
    »Vielleicht kannst du sie einladen«, sagte er. »Du könntest ja so was wie … eine Party machen …«
    Seine Stimme klang fragend, also nickte ich; aber ich war nicht bei der Sache. Ich wollte, dass er aufhörte mit seinen Fragen, auch wenn sie gut gemeint waren. Ich schloss die Augen, als mir plötzlich etwas klar wurde: Keiner hatte die geringste Ahnung; keiner wusste, was wirklich in mir vorging. Ich schien in einer Art Parallelwelt zu leben, wo ich Gedanken und Gefühle hatte, die keiner sonst verstand. Vielleicht mit Ausnahme von dir. Aber nicht mal das wusste ich.
    Ich legte den Kopf an die Fensterscheibe, die gegen meine Schläfe rumpelte, und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft unter mir. Von hier oben bestand die Wüste aus so vielen Farben … so vielen Abstufungen von Braun und Rot und Orange. Da waren die Betten ausgetrockneter Wasserläufe und die weißen Salzpfannen. Ein dunkler Fluss, der sich wand wie eine Schlange. Schwarz verbrannte Gegend. Wirbel und Kreise und Linien und Strukturen. Die winzigen Punkte einzelner Bäume. Die dunklen Flecken von Felsen. All das breitete sich zu einer endlosen Weite von Mustern aus.
    Es dauerte zwei Stunden, bis all die vielen Kilometer, all die Milliarden von Sandkörnern, all das Leben überquert war. Von hier oben, hoch oben, sah das Land wie ein Kunstwerk aus, wie eins von deinen Kunstwerken. Wenn ich die Augen ein bisschen zusammenkniff, konnte ich mir fast vorstellen, das Land da unten wärst du … lang ausgestreckt und gewaltig groß.
    Und da begriff ich es. Ich wusste plötzlich, was du die ganze Zeit über getan hattest, in diesem Schuppen in der Wüste. Du hattest das Land gemalt, wie es von oben aussah, so wie ein Vogel es sehen würde oder ein Geist oder ich … deine Wirbel, deine Punkte und Kreise zeichneten das Muster des Landes nach.
     
     
    Die Reporter warteten auf uns. Sie hatten herausgefunden, dass wir vom Inlands- zum Auslands-Terminal mussten und dass wir bis zu unserm Anschlussflug nach Hause drei Stunden Aufenthalt hatten. Sie umzingelten uns, rückten mir immer dichter auf den Leib und feuerten ihre Blitzlichter auf mich ab.
    »Gemma, Gemma«, riefen sie. »Können wir dich kurz sprechen?« Als würden sie mich kennen; als wäre ich ein Schulmädchen aus der Nachbarschaft.
    Dad wollte mich abschirmen und versuchte sie wegzudrücken, aber sie ließen sich nicht vertreiben. Sogar die ganzen anderen Menschen am Flughafen, die Passagiere und die Taxifahrer und das Personal in den Coffeeshops – sogar sie wussten, wer ich war. Ich sah, wie manche von ihnen Fotos von mir machten. Es war absurd. Schließlich zog Mum ihre Jacke aus und legte sie mir über den Kopf. Dad wurde richtig wütend, jedenfalls für seine Verhältnisse. Er sagte sogar zu irgendwem, dass er sich verpissen soll. Das überraschte mich; für einen Moment hielt ich inne und sah ihn genau an. Ihm lag wirklich was an mir, er wollte, dass ich in Sicherheit war. Er hielt mich eng an sich gedrückt, als wir an einem Kamerateam vorbeikamen.
    Eins jedenfalls war klar, ich war kein normales Schulmädchen mehr. Ich war zu einer Berühmtheit geworden. Mit meinem Gesicht konnte man Zeitungen verkaufen. Millionenfach. Mein Gesicht brachte Leute dazu, die Fernsehnachrichten anzuschalten. Aber in diesem Moment, mit der Jacke über meinem Kopf und diesen vielen Männern, die mich alle anschrien, fühlte ich mich eher wie eine Verbrecherin. Diese Leute waren Blutegel, sie wollten aus mir heraussaugen, was zwischen dir und mir in der Wüste passiert war, sie wollten jede noch so kleine Einzelheit erfahren … alles wollten sie wissen. Du hast mich berühmt gemacht, Ty. Du hast dafür gesorgt, dass sich die ganze Welt in mich verliebt. Und ich habe es gehasst.
    Wir schafften es, zum anderen Terminal zu kommen. Auch dort warteten Reporter und Schaulustige und Polizisten und Lichter und Lärm und Lärm und Lärm. Mein Atem ging immer schneller. Ich dachte nur noch an das riesige Flugzeug, an die Startbahn, an alles, was mich zurück nach England verfrachten wollte, zurück in die Kälte, in die große graue Stadt … an alles, was mich von dir wegbringen wollte.
    Ich konnte das einfach nicht. Ich riss mich von Mum und Dad los. Ich rannte weg. Mum versuchte mich an meiner Strickjacke zu packen, aber am Ende
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