Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
Vom Netzwerk:
der dir hilft, mit deinen Gefühlen klarzukommen?«
    Ich war still und blickte starr geradeaus an die blassgraue Wand. Sie legte das Buch neben mich auf den Nachttisch. Auf dem Umschlag stand irgendwas mit »Stockholm-Syndrom«. Ich sah mir den Titel nicht genauer an.
    »Irgendwann wirst du mit jemandem reden müssen, Gemma«, drängte Dr. Donovan. »Du musst möglichst bald herausfinden, was du wirklich fühlst … was wahr ist.«
    Sie ließ ihre Visitenkarte auf den Nachttisch fallen. Ich nahm sie und legte sie in die Schublade, neben deinen Ring. Als sie gegangen war, starrte ich die Decke an. Mir war plötzlich kalt, ich wickelte mich enger in mein Bettzeug. Ich fühlte mich nackt … als hätte ich mich in der Wüste gehäutet, so wie Schlangen das tun. Als hätte ich einen Teil von mir irgendwo liegengelassen.
    Ich überlegte, ob du wohl auch befragt wurdest. Zitternd zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. Die Dunkelheit darunter gefiel mir.
     
     
    Mum und Dad kümmerten sich um die Reporter. Sie traten im Fernsehen auf und redeten mit den Zeitungsjournalisten. Ich war ihnen dankbar dafür. Im Augenblick brachte mich schon allein der Gedanke an eine Kamera vor meinem Gesicht zum Durchdrehen.
    Während beide auf einer Pressekonferenz waren, stand ich auf. Ich lief in dem engen Krankenhauszimmer, in dem ich festsaß, so lange hin und her, bis meine Gelenke wieder einigermaßen funktionierten. Das Bein mit dem Schlangenbiss war immer noch steif und schmerzte. Aber die Bewegung schien ihm gutzutun.
    Ich versuchte, den Gang entlangzulaufen, wollte testen, wie weit mich das Bein wohl tragen würde. Konnte ich es schaffen, einfach nach draußen zu spazieren, raus aus dem Krankenhaus? Zwei ältere Patienten starrten mich offen an, als ich an ihnen vorbeiging. Sie wussten, wer ich war. Ihre Blicke hätten mich fast dazu gebracht, gleich wieder zurück in mein Zimmer zu rennen. Es war, als wäre ich berühmt. Ich schluckte und zwang mich dazu, einfach weiterzugehen.
    Ich lief Richtung Eingangsbereich, zu den Türen mit den Streifenvorhängen, bei denen ich dich zuletzt gesehen hatte. Als ich durchging, berührte ich die harten Plastikkanten. Draußen am Empfang wartete eine schwangere Frau. Auch sie blickte zu mir herüber, aber ich ignorierte sie. Ich lief zu den automatischen Türen, die aus dem Krankenhaus führten. Als ich davorstand, öffneten sie sich mit einem technischen Surren. Draußen war es heiß und sonnig. Ich musste blinzeln vor lauter Helligkeit. Es gab Autos und Laternenmasten und Leute, Vögel zwitscherten in den belaubten Bäumen. Vor mir erstreckte sich der Asphalt des Parkplatzes. Jenseits davon war eine endlose Ebene von rotem Staub.
    Ich machte einen kleinen Schritt. Aber fast im gleichen Moment tauchte neben mir eine Krankenschwester auf, die ihre Hände auf meine Arme legte und mich nicht gehen ließ.
    »Du bist noch nicht entlassen«, flüsterte sie.
    Sie drehte mich um und führte mich zurück in das Krankenhauszimmer. Dieses winzig kleine Zimmer … es kam mir wie eine Zelle vor mit seinen dicken Wänden und dem fehlenden Tageslicht. Sie steckte mich zurück ins Bett und zog die Decke zurecht.
     
     
    Später kam Mum. Sie hatte eine Plastiktüte dabei, in der Hunderte von Zeitungsartikeln waren, alle sorgfältig ausgeschnitten.
    »Ich weiß nicht, ob dir klar ist, welche Dimension das alles hat«, sagte sie. »Die ganze Welt weiß über dich Bescheid.« Sie legte die Tüte auf mein Bett und kramte einige bedruckte Seiten heraus. »Das sind nur die Beiträge, die ich gesammelt habe, seit wir England verlassen haben. Zu Hause gibt es noch mehr. Ich hab gedacht …« Sie zögerte, suchte nach den richtigen Worten. »Ich dachte, du willst vielleicht wissen, was los war, und sehen, wie wichtig du den Leuten gewesen bist.«
    Ich spürte das Gewicht des Papiers auf meinen Beinen, als ich die Tüte zu mir herzog. Ich nahm einen Stapel heraus. Als Erstes fiel mir das Foto auf. Das letzte Schulfoto von mir prangte in riesiger Vergrößerung auf der Titelseite der Zeitung The Australian . Meine Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und die Bluse der Schuluniform lag eng an meinem Hals. Ich konnte dieses Foto nicht ausstehen, ich hatte es noch nie gemocht. Flüchtig blätterte ich noch ein paar andere Artikel durch. Das Foto war fast immer mit abgedruckt.
    »Warum habt ihr ihnen dieses Bild gegeben?«, fragte ich.
    Mum runzelte die Stirn und zog es zu sich herüber. »Das ist doch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher