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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst
Autoren: Paul Ekman
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keine Hilfe.
    Die meisten Lügner brauchen diese Hilfe, allerdings mangelt es ihnen an der Fähigkeit, einen guten Auftritt hinzulegen, daher werden sie niemals in der Lage sein, erfolgreich zu lügen. Meine Erklärungen, was eine Lüge verrät und was sie glaubhaft erscheinen lässt, werden ihnen nicht viel helfen, sondern die Sache womöglich noch schlimmer machen. Man kann das Lügen nicht verbessern, wenn man weiß, was man tun oder lassen sollte. Außerdem zweifle ich ernsthaft daran, dass Training von Nutzen sein wird. Ein selbstbewusster Lügner, der während des Lügens noch planen würde, wäre wie ein Skifahrer, der bei der Abfahrt über jeden Schwung nachdenkt.
    Es gibt zwei Ausnahmen, zwei Lügen-Lektionen, die jedem helfen können: Lügner sollten mehr Sorgfalt darauf verwenden, ihre erfundenen Geschichten zu entwickeln und sich einzuprägen. Die meisten Lügner können weder alle Fragen vorausahnen, die gestellt werden könnten, noch all die unerwarteten Vorfälle bedenken, die bewältigt werden müssen. Ein Lügner muss mit vorbereiteten, einstudierten Antworten auf mehr Eventualitäten eingestellt sein, als er sie wahrscheinlich jemals erleben wird. Spontan, schnell und überzeugend eine Antwort zu finden, die mit dem übereinstimmt, was bereits gesagt worden ist und was eventuell künftig aufrechterhalten werden muss, erfordert unter Druck geistige Fähigkeiten und eine Abgebrühtheit, die nur wenige haben. Die andere Lügen-Lektion, die jeder Leser inzwischen gelernt haben sollte, ist die Erkenntnis, wie schwer es ist zu lügen, ohne dabei Fehler zu machen. Die meisten Menschen werden nur deshalb nicht entlarvt, weil die Personen, denen die Täuschung gilt, nicht genügend daran arbeiten, die Lüge aufzudecken. Es ist ziemlich schwer, ein Durchsickern der Täuschungshinweise zu verhindern.
    Ich habe niemals ernsthaft versucht, jemandem beizubringen, besser zu lügen. Mein Schluss, nicht viel helfen zu können, gründet auf logischem Denken und nicht auf Beweisen. Ich hoffe, dass ich damit richtigliege, denn in meiner Forschung ziehe ich es vor, dem Lügenermittler mehr zu helfen als dem Lügner. Ich bin nicht der Meinung, dass das Lügen von Natur aus böse ist. Viele Philosophen haben überzeugend dargelegt, wie sich zumindest bestimmte Lügen moralisch rechtfertigen lassen und wie Ehrlichkeit manchmal brutal und grausam sein kann.| 1 Dennoch gelten meine Sympathien eher dem Lügenermittler als dem Lügner. Vielleicht hat das mit meiner wissenschaftlichen Arbeit zu tun, mit der Suche nach Hinweisen auf die wahren Gefühle der Menschen. An der Tarnung bin ich interessiert, betrachte es allerdings als Herausforderung, die wirklich empfundene Emotion aufzudecken, die darunter liegt. Es ist befriedigend, herauszufinden, wie empfundenes und falsches Ausdrucksvermögen sich voneinander unterscheiden, festzustellen, dass die Verheimlichung nicht perfekt ist, dass der falsche Gefühlsausdruck dem echten nur ähnelt, aber anders ist. Unter diesen Gesichtspunkten geht es beim Studium der Täuschung um viel mehr als nur um Täuschungsmanöver. Hier bietet sich die Gelegenheit, einen außergewöhnlichen inneren Kampf zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Äußerungen zu erleben und zu erkennen, dass wir bewusst die äußeren Zeichen unseres Innenlebens kontrollieren können.
    Trotz meiner Sympathie für die Lügenermittlung im Vergleich zum Lügen, ist mir klargeworden, dass die Ermittlung nicht immer rechtschaffener ist. Der Freund, der liebenswürdigerweise seine Langeweile verheimlicht, wäre zu Recht gekränkt, wenn man ihn bloßstellte. Der Ehemann, der vorgibt, amüsiert zu sein, wenn seine Frau einen Witz schlecht erzählt, die Ehefrau, die Interesse am Bericht ihres Mannes heuchelt, wie er den Apparat repariert hat - je alle könnten sich drangsaliert fühlen, wenn ihre vorgetäuschte Neugier angezweifelt wird. Bei militärischen Täuschungsmanövern könnte ein Beobachter natürlich im nationalen Interesse auf der Seite des Lügners stehen und würde nicht den Lügenermittler unterstützen wollen. Welches Land, das zu den Alliierten im Zweiten Weltkrieg gehörte, hätte nicht gewollt, dass Hitler in die Irre geführt wurde, als es um die Landung der alliierten Truppen und um die Frage ging, an welchem Strand der französischen Küste die Invasion stattfinden sollte - in der Normandie oder in Calais?
    Während Hitler offensichtlich jedes Recht hatte, zu versuchen, die Lüge der Alliierten
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