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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin
Autoren: Nelly
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Krankenhaus mußte und ich mich um den Haushalt kümmerte, kochte und
meine Geschwister versorgte, da habe ich wirklich ihren Platz eingenommen. Ich
wurde sozusagen unter dem Zwang der Verhältnisse offiziell zur Mutter ernannt.
    In dieser Phase war, glaube ich, alles
noch normal. Es schien irgendwie selbstverständlich, daß ich die Rolle der
Hausfrau übernahm, und ich denke, das wäre in einer anderen Familie nicht
anders gewesen: Die Älteste muß dem Vater zur Hand gehen, wenn die Mutter nicht
da ist.
    Erst später wurde ich nicht mehr mit
der Situation fertig. Ich geriet in Panik, ich... Aber wie hätte ich denn ahnen
können, was in meinem Vater vorging? Ich war noch nicht mal zwölf. Mama war fortgegangen
und hatte praktisch alles mir überlassen, dem »kleinen Frauchen«. Und Papa
verlangte soviel von mir, stellte so hohe Ansprüche an mich. Ganz zu schweigen
von meinen jüngeren Geschwistern, die mich ständig erwartungsvoll ansahen.
Jetzt, wo Mama im Krankenhaus war, mußte ich ihnen die Mutter ersetzen.
     
    Die Beziehung zu meinem Vater änderte
sich nach dem Autounfall meiner Mutter. In Suze-la-Rousse war ihr jemand
hintendraufgefahren. Mein Vater fuhr sofort hin. Sein erster Gedanke galt
seinem Fiat: »Schau dir bloß mal den Wagen an! Wo sollen wir denn das Geld für
einen neuen hernehmen? Das ist ja eine schöne Bescherung!«
    Dabei war meine Mutter überhaupt nicht
schuld an dem Unfall. Und sie war verletzt. Aber Papa würdigte sie keines
Blickes. Er fragte sie nicht einmal, ob sie etwas abbekommen habe. Sie fuhren
heim.
    Am anderen Tag mußten wir den Arzt
holen. Mama hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Und sie war ganz depressiv, sie
weinte dauernd. Es stellte sich heraus, daß sie sich an den Halswirbeln verletzt
hatte und außerdem mit dem Nervensystem irgend etwas nicht in Ordnung war. Sie
litt an einer nervösen Erschöpfung. Vielleicht als Folge des Unfalls.
Vielleicht aber auch aufgrund unserer häuslichen Situation.
    Jedenfalls war sie in Behandlung und
nahm alle möglichen Tabletten, Beruhigungspillen und Antidepressiva. Ihr
Zustand verschlechterte sich. Zu guter Letzt wurde sie ins Krankenhaus
eingeliefert, in ein Sanatorium, wo sie einen Monat blieb.
    Obwohl wir in den letzten Jahren in
offener Feindschaft gelebt hatten, fehlte sie mir an allen Ecken und Enden. Wir
waren jetzt zu fünft daheim, ohne Mama und ohne »Frau«: Papa, Laury, Sandy,
Leila und ich. Ein merkwürdiges Gefühl. Zweimal die Woche kam eine
Familienhelferin zu uns. Großmutter Mireille, die ganz in der Nähe wohnte, und
Josiane, Mamas Mutter, sahen ebenfalls nach dem Rechten, sooft sie konnten,
aber das war nicht oft, weil beide schlecht zu Fuß waren. Sosehr sie sich auch
bemühten, eine Mutter konnten sie eben nicht ersetzen, und so herrschte bald das
totale Chaos.
    Es kam alles zusammen. Die Dinge
wuchsen mir über den Kopf. Plötzlich lastete die Verantwortung für die ganze
Familie auf mir. Mein Vater, der starke Mann, der Kleiderschrank, erwies sich
als unfähig, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Er war mir keine Hilfe. Er
konnte nicht mal ein Ei kochen. Er war nicht fähig, sich um Laury und Sandy zu
kümmern; ich glaube, er war nicht einmal fähig, sie zu lieben. Meine
Einstellung zu den beiden änderte sich rasch. Bald liebte ich sie wie eine
Mutter. Ich verwöhnte sie mit selbstgebackenem Kuchen und schmuste mit ihnen,
was ich vorher nie getan hatte.
    Mir blieb gar nichts anderes übrig, als
die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zu sehen, wie ich damit fertig
wurde. Eine sonderbare Situation: Das kleine zwölfjährige Mädchen, das seine
Mutter nicht mehr liebte, mußte von einem Tag zum anderen ihren Platz
einnehmen. Mit allen Konsequenzen.
    Da ich keine andere Wahl hatte,
beschloß ich, eine richtige Mama zu sein. Darunter verstand ich kochen — Steak,
Omelette und Risotto die Kleinen versorgen, putzen, waschen, bügeln, lieb sein
zu meinen Geschwistern und zu Papa. Und mich um Leila, unsere Pflegetochter, zu
kümmern. »Mein Baby« nannte ich sie. Eine Menge Arbeit und viel Zärtlichkeit
für alle, das verstand ich unter Mutter sein.
    Ich wußte nicht, daß noch mehr
dazugehörte... Eine Sache, die nach dem Einkaufen kommt, nach dem Abendessen
und dem Aufräumen... Eine Sache, von der ein kleines Mädchen nichts wissen, die
es nicht verstehen kann... Eine Sache, die Papa — zusätzlich zu allem anderen —
von mir verlangen würde. Ich glaube, er dachte schon eine ganze Weile daran. Er
sagte
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