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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Lukas
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D   er klapprige alte Jeep rumpelte über die Schlaglöcher und warf Rafael auf dem Sitz herum wie auf einem bockenden Pferd.
    »Hell of a bumpy ride.« Jack grinste, ohne die Straße aus den Augen zu lassen. Seine von der kolumbianischen Sonne gebräunten Hände umklammerten das Lenkrad, um nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren.
    Ein verdammt holpriger Trip – in der Tat. Rafael erwiderte das Grinsen, obwohl der Engländer es nicht sehen konnte, weil sein Blick konzentriert nach vorn gerichtet war. Dabei hatten sie Glück, denn die Piste war im April selten so trocken und damit passierbar. Andere freiwillige Helfer in der Krankenstation hatten ihm erzählt, dass sich die Straßen in der Regenzeit oft in Schlammbäche verwandelten, in denen auch die modernsten Fahrzeuge stecken blieben. Dann gab es kein Durchkommen zum Flugplatz mehr, und die Ärzte mussten mit den verbliebenen Vorräten auskommen, bis der Weg zum Nachschub wieder frei war.
    Rafael warf einen Blick hinter sich auf die Kisten und Kartons, die sie geladen hatten. Waren die Verpackungen genug gepolstert, um die Medikamente und medizinischen Geräte zu schützen? Jack musste es wissen, denn der wettergegerbte Tropenarzt mit den tiefen Lachfalten war schon seit ein paar Monaten im kolumbianischen Hinterland und fuhr die Strecke nicht zum ersten Mal. Er hatte auch ihn zehn Tage zuvor vom Flugplatz abgeholt, der eigentlich nur eine von Häusern und Hütten umstandene Schneise im Dschungel war.
    »Goodness«, entfuhr es Jack. Er trat so heftig auf die Bremse, dass Rafael in den Sicherheitsgurt geworfen wurde. Hinter einer Kurve war ein zerbeulter, blauer Laster in Sicht gekommen, der die Fahrbahn blockierte. Dunkelhaarige Männer in olivgrüner Armeekleidung hatten sich davor und auf der Ladefläche aufgereiht und richteten schwarze Gewehrläufe auf den Jeep, der in einer Staubwolke zum Stehen kam.
    Rafael schluckte. Noch nie hatte jemand mit einer Waffe auf ihn gezielt. Nervös sah er zu Jack hinüber. Sollten sie nicht wenden und versuchen zu fliehen? Nein, in einem offenen Jeep war das wohl keine gute Idee.
    Der Engländer musterte die Guerilleros. Oder waren es Paramilitärs? Rafael hatte sich über die Lage in Kolumbien informiert, bevor er nach Bogotá geflogen war, und wusste, dass sie in diesem Krieg keiner Seite vertrauen konnten. Doch was nützte ihm das jetzt?
    »Stay calm, Rafe«, wies Jack ihn an. »Bleib ruhig. Die haben es nur auf die Medikamente abgesehen.«
    Einer der Fremden, ein drahtiger Kerl mit Schnurrbart, trat einen Schritt vor, fuchtelte mit seinem Revolver herum und brüllte: »Bajan del coche! Fuera! Fuera!«
    Rafael musste kein Spanisch verstehen, um zu kapieren, dass sie aussteigen sollten. Sicher war es das Beste, diese Leute nicht durch Widerstand zu provozieren.
    »Get out of the car«, bestätigte ihm Jack. »Aber langsam. Ich werde ihnen diesen Geleitschein von Don Esteban zeigen. Dann werden wir sehen, was der wert ist.« Der Engländer öffnete die Fahrertür und schob sich vom Sitz.
    Widerstrebend folgte Rafael seinem Beispiel. Es fiel ihm schwer, den vermeintlichen Schutz des Wagens aufzugeben. Fast wie in Zeitlupe stieg er aus und entfernte sich von der Autotür, während Jack mit beschwichtigend erhobenen Händen spanisch auf die Guerilleros einredete.
    »Rápido, rápido!«, blaffte der Anführer. Der Rest blieb für Rafael ein unverständlicher Wortschwall. Er konnte nur zwischen Jack und dem Fremden hin- und herblicken, den überhaupt nicht zu interessieren schien, was der Engländer von sich gab. Der Name Esteban fiel. Jack wollte in die Innentasche seiner Jacke greifen, wo Rafe die fragwürdigen Schutzpapiere des einflussreichen Don wusste. Sofort rissen die Bewaffneten alarmiert die Augen auf, griffen ihre Gewehre fester.
    »No!«, brüllte ihr Anführer noch lauter. »No la toques!«
    Jack hielt inne, sprach mit einer Ruhe weiter, die Rafe in seiner wachsenden Panik nicht fassen konnte. Unbeirrt näherte sich die Hand des Engländers erneut dem Revers.
    »Nein, tu’s nicht!«, schrie Rafael in das Gebrüll des Guerilleros. Das letzte Wort ging bereits in einem Schuss unter, dann sprachen nur noch die Waffen. Im nächsten Moment schlug Rafe schon der Länge nach auf den harten, staubigen Boden und spürte seinen Körper nicht mehr. Seine Augen starrten in den wolkigen Himmel, doch was er sah, war Sophies trauriges Abschiedslächeln.

A   uf diesem Stuhl hatte er gesessen. Plötzlich sah Sophie
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