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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin
Autoren: Nelly
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abtrocknen und ihnen in den Schlafanzug helfen,
obwohl sie das sehr gut allein gekonnt hätten. Aber sie wollten mir damit eben
zu verstehen geben, daß sie mich brauchten. Mir gefiel unsere neue Beziehung,
ich fand dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, diese wiederentdeckte Zuneigung
wunderbar.
    Um Leila kümmerte ich mich natürlich auch,
sie war ja noch ganz klein. Nachdem ich die Wäsche gewaschen, zum Trocknen
aufgehängt und gebügelt hatte, richtete ich den Kindern alles für den nächsten
Schultag her. Und danach mußte ich noch meine Schularbeiten machen.
    Mein Vater saß vor dem Fernseher. Ich
beklagte mich nicht, und für ein Mädchen, das von den Ereignissen völlig
überrascht worden war, machte ich meine Sache recht ordentlich. Ich habe mir
alles selbst beigebracht. Meiner Mutter hatte ich früher oft beim Kochen
zugesehen, und wenn ich gar nicht mehr weiterwußte, rief ich meine Großmutter
an. Sie erklärte mir dann, was ich tun mußte, und gab mir Tips und Rezepte. Sie
wäre sicher öfter gekommen, um zu helfen, wenn ich sie darum gebeten hätte,
aber Papa wollte das nicht. Ihm war es lieber, wir blieben für uns. Und so
wurstelte ich mich eben allein durch.
    Anfangs fand ich das toll, und es
machte mir richtig Spaß, die Hausfrau zu spielen. Aber bald wuchs mir die
Arbeit über den Kopf. Sogar die Einkäufe erledigte ich, jeden Samstag. Mir
wurde klar, das war kein Spiel mehr. Was ich zu leisten hatte, war nicht mehr
normal und nicht mehr zu schaffen. Ich bekam Probleme in der Schule. Es gelang
mir nicht, Haushalt und Schule unter einen Hut zu bringen. Ich fühlte mich
total überfordert, und zu Hause sah es bald nicht mehr so ordentlich und sauber
aus wie in der ersten Zeit. Aber jemand mußte sich ja um alles kümmern, und so
versuchte ich, so gut es eben ging, über die Runden zu kommen. Eine andere
Lösung gab es nicht. Daß ich für meinen Vater die Rolle meiner Mutter übernahm,
das begann zu jenem Zeitpunkt erst richtig. Er sah in mir, in allem, was ich
machte, meine Mutter. Ich glaube, das war die Ursache: Er steckte Mama in meine
Haut. Von da an war ich — im Haus und in seinem Kopf — wirklich sein kleines
Frauchen. Vielleicht sogar seine Frau: Er redete nämlich immer noch vom
Heiraten. Und da er nicht verrückt war, sondern ein ganz normaler, vernünftiger
Mann, dachte ich zu guter Letzt, wenn er das sagt, wird es schon stimmen. Große
Lust hatte ich allerdings nicht dazu, weil ich nicht einsah, wozu das gut sein
sollte.
    In meinen Augen war ich jedenfalls kein
kleines Mädchen mehr. Und in seinen nicht länger seine Tochter. Damals habe ich
das nicht begriffen, weil mir so was nie in den Sinn gekommen wäre: ein Vater,
der seine Frau durch seine Tochter ersetzt, der beide miteinander verwechselt!
Ein ganz normaler Vater, und dennoch brachte er alles durcheinander.
    Auch wenn mir vieles merkwürdig vorkam
und nicht ganz geheuer war, habe ich in ihm nie etwas anderes als einen Vater
gesehen. Ich hatte einen Papa, und den liebte ich, was sollte ich mit einem
Ehemann? Für mich hatte sich, was unsere Familie betraf, alles zum Guten
gewendet. Ich meine zum Beispiel mein neues Verhältnis zu Laury und Sandy. Ich
hatte entdeckt, wie zerbrechlich, wie empfindsam sie waren, wieviel Liebe sie
geben konnten. Mir war klargeworden, welchen Platz sie in unserem Haus und in
unseren Herzen einnehmen sollten. Ich liebte sie endlich so, wie es sich
gehörte. Gleichzeitig begriff ich, was für eine Verantwortung ich, die Älteste,
ihnen gegenüber hatte. Sie weckten so eine Art Beschützerinstinkt in mir, und
ich sah es als meine Aufgabe an, ihnen zu helfen und sie zu führen.
    Ich glaube, ich ging völlig auf in
dieser Rolle. Anfangs wahrscheinlich deshalb, weil ich das Gefühl hatte, daß
ich den Platz einnahm, der eigentlich meiner Mutter zustand, und das gefiel
mir. Ich weiß, es ist nicht nett, so etwas zu sagen, aber so war es nun mal.
Außerdem war mein Vater sichtlich zufrieden mit mir. Und für mich gab es im
Grunde nichts Wichtigeres, als meinem Vater eine Freude zu machen. Später dann,
ziemlich bald schon, überwog mein Verantwortungsbewußtsein meinen Geschwistern
und Leila gegenüber. Da war keine Eifersucht, kein Konkurrenzdenken mehr im
Spiel. Ich fühlte mich einfach verantwortlich und wollte, ohne jeden
Hintergedanken, für die Familie sorgen, bis Mama zurückkam. Keiner sollte
benachteiligt werden, jedem wollte ich gleich viel Liebe und Aufmerksamkeit
schenken. Die Familie
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