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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul
Autoren: Herfried Loose
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Besucherstuhl neben sich. Setz dich einen Augenblick dorthin!« Der Schulleiter nahm wieder Platz. »Ist deine Mutter nicht mitgekommen?«
       »Nein, sie muss arbeiten und außerdem bin ich ja auch kein Kleinkind mehr.«
       »So, so! Du kommst also aus dem Lauenburgischen? Die Lehrpläne sind identisch mit unseren, insofern sollte es dir nicht schwer fallen den Anschluss zu finden. Natürlich ist eine Umschulung immer ein schwieriger Schritt für einen Schüler; neue Kameraden, neue Lehrer, aber umso mehr musst du dich am Anfang anstrengen, damit der Start gelingt. Wir haben für neue Schüler eine Einrichtung aus der Taufe gehoben, die sich Paten für neue Mitschüler nennt. Dir wird für die Dauer eines Monats ein Klassenkamerad als Pate zur Seite gestellt, der dich einweisen wird und der dir mit Rat und Tat den Anfang erleichtern wird. Der Pate wird von deiner Klassenlehrerin bestimmt. Es ist Frau Böhmer, die die 7b unterrichtet.
       Ich bringe dich gleich zu ihr. Sie veranlasst dann alles Weitere. Dein Pate wird dir helfen, die erforderlichen Schulbücher zu erhalten, einige musst du selber kaufen. Ein entsprechender Brief, zusammen mit der Liste des erforderlichen Materials, geht noch heute per Post an deine Mutter. Habe ich das richtig notiert: Yvonne Jensen, Mecklenburger Straße 11b ?« Ralf nickte.
       »Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden, Ralf.« Ralf straffte sich. »Entschuldigen Sie, Herr Burgmann, ich wollte sagen, die Anschrift ist richtig, und ich freue mich ebenfalls auf diese neue Schule hier.«
       »So ist es recht! Ich sehe, wir verstehen uns! Und nun folge mir bitte, ich werde dich zu deiner neuen Klasse führen!« Mit diesen Worten verließ er das Büro, Ralf folgte ihm in kurzem Abstand. Es gelang ihm nur mit Mühe, den schnellen Schritten des Direktors zu folgen. Sie flitzten im Eiltempo durch die verwinkelten Schulflure. Vor einer lindgrün gestrichen Holztür am Ende des zweiten Stockwerkes blieb der Schulleiter schließlich stehen und öffnete sie mit Nachdruck.
       Nachdem die Klasse ihren Direktor erkannte, standen die Schüler auf. Ralf war beeindruckt. Das kannte er von seiner bisherigen Schule nicht. »Guten Morgen, die Klasse 7b!«
       »Guten Morgen«, tönte es einstimmig aus vielen Mündern.
       »Setzt euch! Guten Morgen, Frau Böhmer! Ich möchte Ihnen einen neuen Schüler vorstellen, der aus dem Lauenburgischen in unsere nette Stadt umgezogen ist. Es ist Ralf Jensen.« Jetzt wandte er sich der Klasse zu: »Ich möchte euch bitten, Ralf in euren Reihen fair aufzunehmen und ihm jede Hilfe zukommen zu lassen, die er gerade jetzt, am Anfang, brauchen wird. Frau Böhmer, Sie übernehmen die Gestellung des Paten?«
       »Ja, natürlich, Herr Burgmann. Wir freuen uns, dich in unserer Klassengemeinschaft zu begrüßen, Ralf. Am besten, du nimmst gleich hier vorne Platz.« Sie wies auf den ersten noch unbesetzten Sitzplatz am Ende des offenen U's, in dem die Tischreihen aufgestellt waren.
       »Ja, Ralf, dann wünsche ich dir einen guten Start! Wir sehen uns und lass mir keine Klagen kommen!«
       »Danke, Herr Direktor!« Die Klasse kicherte unterdrückt. Hatte er etwas Dummes gesagt? Röte schoss ihm ins Gesicht und er richtete sich auf seinem neuen Platz ein. Neben ihm saß ein Mädchen mit einer schwarzen Brille. Sie sah sehr gescheit aus und lächelte ihn an. »Hi, ich bin die Regine!« »Hi«, gab er flüsternd zurück. Aller Augen richteten sich nun wieder auf die Klassenlehrerin. Frau Böhmer war eine hoch aufgeschossene, schlanke Frau mit halblangen, blonden Haaren. Die spitze Nase und die durch eine Spange freigelegte, hohe Stirn ließen sie energisch und selbstbewusst aussehen. Sicher duldete sie keine Undiszipliniertheiten. Das sah man ihr auf den ersten Blick an. Lorenz hatte ihn ja bereits gewarnt.
       Wo war der überhaupt? Ralfs Blick wanderte durch die Reihen seiner Mitschüler. Automatisch zählte er mit. Dreiundzwanzig, mit ihm - davon dreizehn Mädchen. Lorenz saß in der Ecke gegenüber und feixte ihm zu. Ralf grinste zurück.
      »Wer erklärt sich bereit, für die nächsten vier Wochen das Patenamt für Ralf Jensen zu übernehmen? Freiwillige, Hand hoch!« Eine ganze Reihe Finger schossen in die Höhe. Ralf war überrascht. Junge, Junge, die schienen hier ja alle vorbildlich gedrillt zu sein. Er schielte zu Lorenz hinüber, der meldete sich auch, seine neue Nachbarin, Regine, ebenfalls. Frau Böhmer ging einmal die Reihe der sich
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