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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul
Autoren: Herfried Loose
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konnte noch den Schmauchfleck von Pauls Zigarrenstumpen auf dem Boden vor der Sitzbank erkennen. War eigentlich ein netter Typ, dieser Paul Schmitt.
       Kaum zuhause angekommen, flog seine Schultasche in die nächste Ecke. Ralf hatte einen Bärenhunger und setzte Wasser auf, um sich Spaghetti zu kochen. Die liebte er, zusammen mit der Fertigsoße aus dem Tetrapack - davon hätte er sich die ganze Woche über ernähren können.     
     

Kapitel 4
 
    Die erste Woche in der neuen Schule verging wie im Fluge. Am Freitagmorgen, auf dem Schulweg, kam ihm Paul Schmitt auf dem Fahrrad entgegen. Karlchen war nicht dabei. Paul trug Anglerkluft und hatte auf seinem Gepäckträger einen großen Korb mit Utensilien.
       Paul stoppte, als er ihn erkannte. »Na, Ralf. Lange nicht gesehen, was? Erste Schulwoche gut überstanden?« Ralf freute sich über die Begegnung mit dem alten Mann und war überrascht, dass dieser stoppte, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. »Guten Morgen, Herr Schmitt!«
       »Lass die Förmlichkeiten, Ralf! Sag einfach Paul zu mir. Das tun alle hier!«
       »Äh, ja gut. Die Schule gefällt mir ganz gut. Wo haben Sie... äh, ich wollte fragen, wo ist Karlchen?«
       »Der musste zuhause bleiben, weil er mir beim Angeln die Ruhe raubt und die Fische vertreibt. Ich war heut in aller Frühe zum Angeln an der Wakenitz. Da beißen sie am besten. Will 'ste mal sehen?« Paul öffnete die Plastiktüten, die er im vorderen Korb am Lenker mit sich führte. Ralf lugte hinein. »Uihh!«, entfuhr es ihm überrascht. »Was sind das für Fische?«
       »Diese hier sind Rotaugen und die da, sind Schleie!«
       »Aha!«
       »Warst du schon einmal zum Angeln?«
       »Nö, ich denke, das ist ohne Angelschein verboten? Ich wollte es schon immer einmal ausprobieren, aber mein Erzeuger hat es mir verboten und gesagt, dass man oft kontrolliert wird und dann kostet es, wenn man keinen Angelschein hat, richtig Strafe!«
       »Ja, da hat dein Vater vollkommen Recht. Haste mal Lust, mitzukommen?«
       »Öööh, weiß nicht!«
       »Eigentlich interessiert das jeden richtigen Jungen. Na, du kannst es dir ja noch überlegen. Ich fahr morgen um acht Uhr los. Wenn du mit willst, warte an der Bushaltestelle. Musst dich dann aber warm anziehen und am besten nimmst du auch einen Anorak mit. Wir wären dann gegen zwölf, halb eins, zurück. Ich würd' mich jedenfalls freuen, und dümmer wirst du dadurch auch nicht.«
       »Na, mal sehen, vielleicht. Ich muss jetzt aber los, sonst komm ich zu spät.«
       »Na klar, dann mal los und mach's gut!«
       »Ja, danke!« Paul stieg in die Pedale und fuhr davon. Ralf setzte seinen Schulweg fort. Er wusste nicht, ob er das Angebot annehmen sollte; interessieren tät's ihn ja schon. Vielleicht wäre es gut, wenn er seine Mutter fragen würde, was sie davon hielt. Schließlich kannte er Paul ja nicht wirklich.
       Den ganzen Vormittag über ging ihm die Sache mit dem Angeln nicht aus dem Sinn. Schon seit zwei Jahren, als er mit dem Paddeln begann, wollte er das schon immer einmal ausprobieren, und jetzt war die Gelegenheit dazu plötzlich da. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr nahm er Abstand von der Idee, mit seiner Mutter über die Sache zu sprechen. Sie würde es ihm wahrscheinlich verbieten - schließlich konnte es sich bei Paul ja um einen Mitschnacker* handeln.
    *(norddeutscher Begriff für Kinderschänder)
     
    Ganz frei konnte sich Ralf von dieser Sorge nicht machen - dazu war er schon zu vernünftig, um sich der Gefahr nicht durchaus bewusst zu sein. Er sann darüber nach und fragte schließlich Julius, ob er einen Paul Schmitt kenne, den alten Mann mit dem Mischlingshund? Julius verneinte, meinte aber, dass das nichts bedeuten müsse, vielleicht wohne er einfach zu weit von Ralf entfernt . Jedenfalls konnte Julius mit der Beschreibung nichts anfangen, und als dieser nachfragte, worum es denn ginge, vertraute Ralf sich ihm an.
       Julius war von dem Angelvorschlag begeistert und wischte Ralfs Bedenken beiseite; schließlich sei er ja kein Mädchen.. Sie wollten sich jedoch absichern und verabredeten sich für den Nachmittag, um Pauls Adresse ausfindig zu machen. Dies stellte sich jedoch als unmöglich heraus: Weder das Telefonbuch noch die Telefonauskunft verzeichneten einen entsprechenden Eintrag. 
       Schließlich kam Julius auf die Idee, sich beim Bäckerladen des Viertels zu erkundigen - die kannten doch für gewöhnlich alle
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