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0679 - Der Blutbrunnen

0679 - Der Blutbrunnen

Titel: 0679 - Der Blutbrunnen
Autoren: Jason Dark
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Er verließ den Raum mit geschmeidigen Bewegungen. Seinen Mantel nahm er noch mit und hängte ihn um. Das braune Haar wuchs lang in seinen Nacken hinab, er sah verwegen aus, auch wenn er keine Kopfbedeckung trug. Die hing an einem Haken in den unteren Räumen.
    Hector de Valois betrat einen breiten Gang. Wie lange Arme durchzogen diese Flure das große Herrenhaus. Die Fenster waren verdeckt, die Treppen schimmerten blank, sofern sie nicht von irgendwelchen Läufern bedeckt wurden.
    Das warme Licht schien aus der Halle gegen ihn. Einige Kerzen brannten. Sie standen in mächtigen Ständern und leuchteten besonders die Umgebung eines Sessels aus, in dem ein Mädchen saß, das den Kopf drehte, als es die Schritte vernahm.
    De Valois blieb vor der Treppe stehen. Er schaute in das Gesicht der jungen Frau. Es zeigte einen weichen, aber auch besorgten Ausdruck. Der Puder ließ die Haut weiß aussehen. Das blonde Haar war zu einer Turmfrisur geflochten. Durch die Strähnen wand sich eine schlichte Perlenkette.
    Hector de Valois, ganz Kavalier, verbeugte sich leicht. »Habt Ihr ihn gesehen, Mademoiselle?«
    Sie tat erstaunt. »Wen sollte ich gesehen haben?«
    »Ach, nichts.« Der Mann lächelte und ging auf die breite Ausgangstür zu.
    »Aber Monsieur, Ihr wollt mich verlassen?«
    »So ist es, Mademoiselle.«
    »Wann kehrt Ihr wieder zurück?«
    »Das kann ich Euch leider nicht sagen. Seid so gut und geht ins Bett. Schlaf tut immer gut, Mademoiselle, glaubt mir.« Er verbeugte sich und wünschte eine gute Nacht.
    Dann war er verschwunden.
    Zurück blieb die junge Frau, die seufzend atmete und daran dachte, daß dieser Mann ein so eleganter Kavalier sein konnte. Nun aber hatte er sie allein gelassen.
    Hector de Valois dachte nicht mehr an sie. Seine Aufgabe war wichtiger. Er hatte das Haus nur für wenige Tage benutzt, so lange, bis sich ein Erfolg zeigte.
    In dieser Nacht war es soweit gewesen. Der Tod hatte sich hinter dem Fenster gezeigt.
    Aber er war verschwunden, eingetaucht in die stockfinstere Nacht, wo mächtige Wolken das Licht der Gestirne verdeckten. Hector kannte sich in dem Park aus. Er war nicht übermäßig groß, aber durch seine Hecken und wohlgestutzten Büsche zu einem Labyrinth gemacht worden, in dem sich zahlreiche Menschen bewegen konnten, ohne von den anderen entdeckt zu werden.
    In dem Park standen kleine Pavillons, Häuser und Verstecke der Lust und Liebe, die, würden sie sprechen können, von galanten Abenteuern erzählen würden. Aber die Pavillons waren ebenso verschwiegen wie die wohlgestutzten Hecken und kleinen Bänke, von denen in dieser kühlen Nacht keine besetzt war.
    Leroque hieß der Teufelsbote, und Hector de Valois mußte ihn finden, bevor er noch mehr Unheil anrichtete. Er hatte zahlreiche Menschen auf dem Gewissen, de Valois war ihm seit Monaten auf der Spur, und sämtliche Leichen hatte er blutleer entdeckt. Nicht ausgesaugt wie durch einen Vampir, sie hatten einfach aus irgendeiner Körperöffnung ihr Blut verloren. De Valois konnte sich nicht vorstellen, aus welch einem Grund Leroque dies getan hatte, er wollte ihn danach fragen, und das sollte noch in dieser Nacht geschehen.
    Es war für den einsamen Jäger nicht leicht, sich lautlos zu bewegen. Die Wege zeigten eine helle Kiesschicht, die bei jedem Schritt knirschte, und de Valois entschloß sich, über den Rasen zu laufen, der in dieser Nacht einen feuchten Film zeigte.
    Den anderen hörte er ebenfalls nicht. Kein Atmen, keine Schritte.
    Daß er sich in diesem Garten aufhielt, wußte der Jäger, und er bewegte sich auf das Ziel zu.
    Es war der größte Pavillon im Zentrum des Parks. Dort stand auch der dreietagige Brunnen, ein wunderbarer Einfall eines Baumeisters aus der Umgebung. Selbst der König war auf das Werk aufmerksam geworden und hatte den Baumeister an seinen Hof geholt.
    Der Brunnen diente als Treffpunkt für Verliebte oder einfach nur für banale Verabredungen.
    Um ihn zu erreichen, mußte Hector de Valois einen leicht ansteigenden Hang überwinden. Er lief mit geschmeidigen, raumgreifenden Schritten, erreichte die Rundung des Pavillons, dessen Zentrum der Brunnen bildete und dessen Dach durch Säulen gestützt wurde, ansonsten aber freien Einblick bot.
    De Valois blieb auf halber Strecke nicht nur stehen, er duckte sich auch so tief wie möglich, denn er hatte Geräusche gehört, die am Brunnen entstanden sein mußten.
    Es war das übliche leise Plätschern, wenn das Wasser aus der Öffnung schoß, um sich
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