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0679 - Der Blutbrunnen

0679 - Der Blutbrunnen

Titel: 0679 - Der Blutbrunnen
Autoren: Jason Dark
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küßte sie auf die Stirn, was bei den anderen einen Ausbruch an Heiterkeit veranlaßte. »Keine Sorge, Sarah. Wenn es zu schlimm wird, greife ich auf kohlensäurefreies Mineralwasser zurück, wie Sir James es uns immer vormacht.« Nur für ihr Ohr bestimmt flüsterte ich den nächsten Satz. »Der hat schon soviel davon getrunken, daß er irgendwann noch als Leiche nachrülpst.«
    Ich war schon an der Tür, als Lady Sarah noch immer lachte. Meine Schritte kamen mir vor wie die eines Seemanns, der es noch lernte, über die Bootsplanken zu gehen, wenn eine bestimmte Windstärke herrschte. Das Gleichgewicht verlor ich nie. Ich freute mich allerdings darüber, als mich die eisige Luft traf, denn in London herrschte bereits seit Tagen tiefster Winter.
    Schnee und Kälte feierten fröhliche Urständ, als hätten sie etwas nachzuholen.
    Das Lokal lag in einer nicht sehr belebten Gegend von Soho. Es gehörte nicht zu den uralten, war erst vor zwei Jahren eröffnet worden, sehr gemütlich eingerichtet und hatte zivile Preise.
    Das Bier stammte aus Germany, England und der Tschechei. Man konnte auswählen. Vielleicht war das mein Fehler gewesen, denn ich hatte sehr europäisch getrunken und von Süden nach Norden die Biersorten durchprobiert.
    Der Wind blies um die Ecken und biß in mein Gesicht. Zum Haus gehörte auch ein kleiner Parkplatz, auf dem nur wenige Fahrzeuge standen, die allesamt eine dicke Haube aus Schnee und Eis zierte.
    Nach drei Seiten hin war der Platz abgeschirmt, nur nach einer offen, wo die Fahrzeuge ein- und ausfahren konnten.
    Ich ging mit langsamen Schritten durch den harten Schnee, der an der Oberfläche glitzerte, weil er dort gefroren war. Die kleinen Eisstücke sahen aus wie helle Diamanten und wurden mit knirschenden Geräuschen vom Druck meiner Schuhe zermalmt.
    Es schneite nicht mehr, aber die Natur hatte ihr weißes Kleid angelegt und kam mir so fremd vor, als befände sich zwischen ihr und mir ein Vorhang, der zahlreiche Geräusche schluckte. Vor allen Dingen die der Fahrzeuge, die über die nicht weit entfernten Straßen hinwegfuhren.
    Der Himmel sah aus wie frisch geputzt. Sterne grüßten mit ihrem kalten Licht. Ein prächtiges Firmament, an dem nur der Mond fehlte. Er hielt sich versteckt.
    Ich bewegte mich über den Parkplatz und atmete tief durch. Ein und aus, bewegte dabei die Arme, reinigte die Lungen, doch den verdammten Druck im Kopf wurde ich nicht los.
    Die nahen Bäume an den Rändern des Platzes sahen aus wie tiefgefrorene fremde Wesen, die sich müde zur Ruhe gebettet hatten.
    Manchmal wehte der Wind auch pulvrige Kristalle vom weißen Geäst. Wie kalter Staub fuhren sie in mein Gesicht.
    Als stumme Zeugen standen die Autos auf dem Platz. Wer sie fahren wollte, mußte sie erst freischaufeln. Selbst die Automarken waren nicht zu erkennen.
    Am Rand des Platzes blieb ich stehen. Über mir breitete sich das weiße Geäst aus. Die Natur hatte sich schlafen gelegt.
    Außer mir hatte sich nichts in meiner unmittelbaren Umgebung bewegt – oder doch?
    Da war ein Schatten.
    Ich nahm ihn aus dem Augenwinkel wahr, hatte ihn aber nicht genau erkennen können, weil er sich in der Lücke zwischen zwei abgestellten Fahrzeugen verborgen hielt.
    Täuschung oder nicht?
    Ich war nicht alarmiert, dieser Abend sollte mir ganz privat gehören. Von Dämonen und Schwarzer Magie wollte ich nichts wissen, es sollte nur gefeiert werden.
    Ich vergaß die Bewegung wieder. Es konnte ein Vogel auf der Suche nach Nahrung gewesen sein, denn diese Tiere hatten es bei der nordpolhaften Kälte schwerer als wir Menschen.
    Ich wollte nicht an diesem Fleck festfrieren und langsam wieder zurück zu meinen Freunden gehen, wobei ich mich tatsächlich besser fühlte, denn die kalte Luft hatte in meinem Innern etwas aufgewühlt und bewegt. Mir den Zustand der Lethargie aus den Knochen getrieben, obwohl die Kopfschmerzen noch blieben und meine Bewegungen nicht mehr so stimmten wie sonst.
    Das Knirschen der Schritte im Schnee klang wie eine Wintermusik in meinen Ohren. Ich passierte die abgestellten Fahrzeuge und schaute gegen das Licht an der Rückseite des Gebäudes. Zwei Laternen streuten ihren rotgelben Schein über den weißen Schneeboden und bedeckten ihn mit einem dünnen Lichtteppich.
    Das alles bekam ich mit, das alles war normal, nur nicht das zweite Knirschen im Schnee.
    Schritte hinter mir!
    Umdrehen oder stehenbleiben? Vielleicht war es eine Täuschung gewesen, denn hundertprozentig fit fühlte ich mich nicht.
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