Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul
Autoren: Herfried Loose
Vom Netzwerk:
geübt, blickte er hoch; der Propeller an seinem Ende schlug los, und sein dreimaliges helles Kläffen ähnelte verblüffend einem Tut-mir-Leid!
       Ralf konnte nicht anders und prustete los. Er hielt Karl seine Hand zum Beschnuppern hin, sofort schmiegte sich die kalte, feuchte Hundeschnauze hinein. »Da kannst du dir aber was drauf einbilden, das macht er bei Fremden nur ganz selten. Hast wohl selber einen Hund, was?«
       »Nö, aber mein Kumpel hat einen, allerdings einen größeren!« Karl verstand blitzartig und stand nun auf zwei Beinen vor ihm, seine nassen Vorderpfoten auf Ralfs Knie gestützt. Sofort zeichneten sich dort zwei dunkle Flecken ab, dann hatte er auch schon den Platz zwischen seinem Chef und Ralf erobert. Vertrauensvoll legte er zufrieden seinen triefenden Schädel auf Ralfs Schoß. Ralf versuchte, den nassen Hundekopf von sich weg zu schieben.
       »Nu aber runter Karl! Runter, sag ich!« Karl musste noch Wasser in den Ohren haben, denn er verstand nichts. Nun wischte ihn die Hand seines Chefs von der Sitzbank und zog ihn zu seinen Füßen hin. »Platz! Und da bleibst du jetzt! Also Junge, tut mir wirklich leid. Karl ist ein Derwisch, nicht zu bändigen, wenn er sich freut, jemanden kennen zu lernen. Ist aber auch ein Sauwetter heut, dachte noch, wir schaffen's bis nach Hause, aber das war wohl nichts.«
       Der Fremde erhob sich und spähte um die Ecke des Häuschens. »Auch noch kein Silberstreif am Himmel zu entdecken, scheint eher noch mehr auf uns zuzukommen. Werden wir wohl eine kleine Weile hier gemeinsam verbringen müssen, bis der Wettergott ein Einsehen mit uns hat.« Erst jetzt fand Ralf Gelegenheit, Karls Chef genauer anzusehen Es handelte sich um einen weißhaarigen Herrn mit freundlichen Augen, die ihn jetzt abschätzend ansahen. Schnell sah Ralf wieder weg, wich dem prüfenden Blick aus. »Du bist neu hier in der Gegend, oder? Habe dich noch nie zu Gesicht bekommen, und ich kenne eigentlich die meisten im Viertel.«
       Eine mit dunklen Pigmentmalen übersäte Hand tauchte in Ralfs Gesichtskreis auf. Widerstrebend ergriff er die ihm dargebotene Hand, sie fühlte sich warm und herzlich an. »Na, willst du mir nicht sagen, wie du heißt? Spricht sich besser.«
       »Ralf«, nuschelte er undeutlich hinter zusammengepressten Lippen hervor. 
       »Ah, Ralf also! Freut mich, dich kennen zu lernen, Ralf! Ich fahr hier jeden Tag mit dem Fahrrad meine Runde, da kennt man so langsam die Leute, die hier wohnen oder zur Arbeit gehen und auf den Bus warten. Während sie sich die Hand gaben und Ralf diese schnell wieder loslassen wollte, hielt ihn die Hand jedoch fest, zwang ihn dadurch, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Ihre Blicke trafen sich. Ralf sah in dunkle Augen, die von weißen, buschigen Augenbrauen beschattet wurden.
       »Alles in Ordnung bei dir?« Die Stimme drückte Wärme und Mitgefühl aus.
       »Hm« Ralf sah wieder weg und nickte nur. Die Hand gab ihn frei, schnell vergrub Ralf seine wieder in der warmen Achselhöhle. Einen Augenblick saßen sie schweigend nebeneinander, nur der schwere Regen war zu hören. Die von der Nässe erzeugte kalte Luft streifte ihre Gesichter. Karl war aufgestanden und begann, erneut am Boden schnüffelnd, unauffällig näher zu kommen, Ralfs Blicke automatisch auf sich ziehend. Die Schnauze erreichte seinen linken Fuß, nun hob sie sich und zog mit genüsslich geschlossenen Augen an seinen Socken empor, dabei tief in sein Hosenbein eintauchend.
       »Er hat wirklich einen Narren an dir gefressen, Ralf. Magst du Tiere?«
       »Ja, eigentlich schon.«
       »Aha, weil, meistens sucht sich Karlchen Menschen aus, deren Herz es erst noch zu erobern gilt, deshalb frag ich.« Karl hatte seinen Ausflug ins Hosenbein beendet und sein kleiner Kopf tauchte nun wieder daraus auf. Er umrundete das Bein, um sich nun zwischen Ralfs Füße zu zwängen und sich dort mit hängender Zunge hechelnd hinzusetzen. Ralf ließ seine rechte Hand aus der wärmenden Achselhöhle auftauchen und begann, vorsichtig den nassen Kopf des Hundes zu tätscheln. Karl war entzückt! Hätte er schnurren können, wäre er umgehend zur Katze mutiert, so aber gab er seine Freude dadurch kund, dass er die Augen schloss und seinen Kopf an das Bein seines Gönners drückte. 
       Der alte Mann ließ ihn gewähren und schien sich im Stillen darüber zu freuen. »Stört's dich, wenn ich mir einen Stumpen anzünde?« Ralf verstand nicht gleich und sah zu ihm.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher