Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul
Autoren: Herfried Loose
Vom Netzwerk:
wieder besseres Wetter geben - aber ich habe natürlich abgesagt; ich kann dich ja nicht immer allein lassen.«
       »Mutti! Ich bin kein Kleinkind mehr! Willst du vielleicht mit mir in den Zoo gehen oder was? Geh zur Grillparty und amüsiere dich ein bisschen. Mach dir keine Sorgen um mich!«
       »Meinst du wirklich? Weil, Lust hätte ich schon. Die Kollegin wird nämlich dreiunddreißig. Ihr Mann ist mit einer Männergruppe in Norwegen zum Paddeln, und sie hat keine Lust ihren Geburtstag allein zu verbringen. Sie sagt, sie wohnt in einem Reihenhaus mit einem kleinen Garten dabei. Macht es dir wirklich nichts aus, wenn ich hingehe?«
       »Nein, Mutti, wirklich nicht. Geh nur!«
       »Du bist ein Schatz, Ralf, und schon so vernünftig, weißt du das? Ich bin stolz auf dich!« Sie nahm ihn in den Arm, doch er versuchte, sich ihr zu entziehen. Er mochte es nicht, wenn sie ihn wie einen kleinen Jungen behandelte. »Sei doch nicht immer so schüchtern, mein Kleiner!«, neckte sie ihn nun. »Wir beide werden es schon schaffen, oder? Sollst mal sehen, in einem halben Jahr wird es uns so vorkommen, als seien wir schon immer Stadtleute gewesen.«
       »Na, ich weiß nicht. Im Augenblick fehlen mir meine Leute aus dem Dorf ganz schön.«
       »Das ist nur am Anfang so, Schatz. Hier in Lübeck hast du doch ganz andere Möglichkeiten als in Silberstedt. Morgen ist schon Freitag. Ich habe gegen halb drei Schluss und dann fahren wir, wenn das Wetter es zulässt, zum Baden und Eis essen, okay? Damit du mal siehst, wie schön wir es hier in der Nähe der Ostsee haben. Da kann ich dir dann den Bahnhof zeigen, damit du auch mal allein mit dem Zug nach Travemünde fahren kannst.«
       »Okay, klingt cool - versprochen?«
       »Versprochen!« Yvonne Jensen räumte den unangetasteten Frühstückstisch ab. »Warst du wieder beim Imbiss?« Woher wusste sie das bloß? Sie schien Hellsehen zu können. »Döner - stimmt's?«
       »Sag mal, kannst du Gedanken lesen? Woher weißt du das?«
       »Ich rieche es! Du weißt, meiner Nase entgeht nichts. Also, sieh dich vor und sag immer schön die Wahrheit. Ich erwisch dich sowieso, wenn du schwindelst.«
       Das stimmte. Er hatte seine Mutter noch niemals hinters Licht führen können und das hatte er auch nicht nötig, denn sie war ihm gegenüber immer sehr großzügig und engte ihn so wenig wie möglich ein. Seine Kumpels hatten ihn immer um sie beneidet, weil deren Mütter nicht so cool drauf waren wie seine - sagten sie jedenfalls!
     
    Das Wetter hatte ein Einsehen. Die ganze Nacht hindurch gab es noch Schauer, aber dann, am frühen Morgen, zogen die schweren Wolken fort und es wurde windstill. Die Straßen und die Rasenflächen der Vorgärten dampften nach der Nässe der vergangenen vierundzwanzig Stunden in der Morgensonne. Ralf freute sich schon auf den Nachmittag, wenn er mit seiner Mutter zum Strand fahren würde. In Vorfreude darauf, hatte er schon seine Strandtasche gepackt und nicht vergessen, auch die Taucherbrille, die er vorletztes Jahr auf Teneriffa gekauft hatte, einzupacken.
       Heute schaffte er es tatsächlich, rechtzeitig vor der Mittagspause beim Bäckerladen zu sein und frühstückte danach gutgelaunt. Naja, eigentlich war es ja schon eher Mittagessen, aber in den Ferien schlief er immer gern lange. Bald würde das vorbei sein, denn es war schon Ende August und kommenden Montag sollte er um halb acht seine neue Klasse, die 7b des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums kennen lernen. Ihm war ein wenig bange davor, aber das gestand er sich nicht wirklich ein. Zum Glück konnte er die Schule gut mit dem Fahrrad erreichen. Sie lag nur zehn Minuten von ihrer neuen Wohnung entfernt im selben Stadtteil.
       Die Zeit, bis seine Mutter von der Arbeit kam, verbrachte er damit, seinen PC und dessen Zubehör aus den restlichen Kartons, die noch im Flur standen, auszupacken und aufzubauen. Leider dauerte es noch, bis ihr DSL-Anschluss frei geschaltet würde. So vertrieb er sich mit dem Computeraufbau die Zeit und spielte noch ein wenig Siedler. Ungeduldig sah er immer wieder zwischendurch auf die Uhr, die viel zu langsam vorankam. Als es endlich halb drei wurde, begann er für seine Mutter Kaffee zu kochen und ein Brötchen mit Käse zu belegen. Sie freute sich immer, wenn er sie zu dieser Zeit mit Kaffee und Brötchen begrüßte, und es kam letztlich auch ihm zugute, wenn ihre Stimmung weniger getrübt war.
       In den letzten Wochen hatte er sie mehrmals trösten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher