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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul
Autoren: Herfried Loose
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besten dort hin!« Paul wies mit seiner Hand auf einen Platz ganz nah an der Uferböschung.
       Plötzlich hörten sie Stimmen. Ralf sah um die Flussbiegung einen Kanadier mit zwei jungen Männern auftauchen. Sie unterhielten sich angeregt, während sie mit ihren kurzen Stechpaddeln in rhythmischen Bewegungen das kleine Boot vorantrieben. Ralf hob grüßend die Hand, die Bootsleute grüßten zurück.
       Wow, das war ja eine tolle Möglichkeit, auch mit seinem eigenen Kanu hier einmal zu paddeln . Prüfend schaute Ralf auf die Wasseroberfläche und sah eine Vogelfeder schaukelnd, in träger Bewegung im Schneckentempo vorbei treiben. »Wohin führt der Fluss?«
       »Zum Ratzeburger See! Gefällt es dir hier?«
       »Ja, ich dachte gerade daran, dass es Spaß machen muss hier mit dem Kanu zu fahren. Meines ist ja noch zu Hause, äh, ich meine natürlich, im Hause meines Erzeugers. Ich werde es mir bald abholen. Ich habe einen Trailer fürs Fahrrad, da könnte ich doch glatt hierher fahren und es hier zu Wasser lassen.«
       »Ja, die Wakenitz ist ein tolles Revier dafür. Musst nur die Strömung beachten, sie kann manchmal ganz schön stark sein, so dass man Schwierigkeiten haben könnte, gegen sie anzukommen. Hier wirst du noch viel Spaß mit deinem Boot haben.« Paul hatte es sich auf einer Kiste gemütlich gemacht und war nun daran gegangen, seine beiden Angeln mit Ködern zu bestücken. Danach warf er sie mit flachem Schwung aus, so dass die Schwimmer nicht weit vom Ufer entfernt auf der Wasseroberfläche tanzten.
       Ralf hatte sich die zweite Kiste geschnappt und sich neben Paul gesetzt. »Was für Fische fängt man hier?«
        »Rotaugen, Flussbarsche, Aale, Hechte, Schleie und wenn man Glück hat, auch Zander!«
       »Isst du die alle selbst?« Ralf war das ungewohnte du zum ersten Mal glatt über die Lippen gekommen. Paul grinste vergnügt. »Je nachdem was kommt. Ich verschenke auch viele an Freunde und Nachbarn. Die freuen sich dann immer, schließlich ist Fisch mittlerweile ganz schön teuer geworden, wenn man ihn kaufen muss. Isst du überhaupt Fisch?«
       »Ja, Mutti macht manchmal Fischstäbchen. Nun lachte Paul laut auf. »Ja, das war klar, das musste ja kommen! Fischstäbchen... tzz, tzz!« Amüsiert schüttelte er den Kopf. Hast du schon mal Lachs, Makrele oder Aal gegessen?« Ralf dachte nach. »Ja, doch. Einmal gab es bei uns so einen flachen, runden Fisch. Danach stank die ganze Küche furchtbar.«
       »Das wird Butt gewesen sein, oder wie man ihn auch nennt: Scholle. Den brät man in der Pfanne mit Speck, dazu gelbe Kartoffeln mit Buttersoße - hm, ein Gedicht, sage ich dir!«
       »Ja, ich glaube, so einer war's«
       »Hast du den gegessen? Hat er dir geschmeckt?«
       »Weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass da ganz viele Gräten drin waren. An einer habe ich mich fast verschluckt, weil sie mir im Hals quer saß«
       »Ja, da muss man sehr aufpassen. Das muss dir jemand erklären, wie man die Gräten am besten heraus bekommt. Geübte haben dann auch keine Probleme mehr damit. Vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit, dann erkläre ich es dir.« Der Gedanke konnte Ralf nicht locken. Um ehrlich zu sein; wegen dieser Grätengeschichte hatte er seitdem keinen Fisch mehr probiert und hatte auch nicht vor, es in absehbarer Zeit zu tun.
     
     
    Ralf bereute es nicht, mit Paul mitgegangen zu sein. Es war toll, dass er diese Stelle am Fluss jetzt kannte: Dorthin würde er sicher sein künftiges Kanu-Hauptquartier verlegen, und außerdem empfand er die Gesellschaft des alten Mannes auf seltsame Weise als angenehm. Paul hatte ihm gezeigt, wie man die Würmer auf die Haken spießt, und er hatte sogar selbst zwei Fische unter Pauls Anleitung aus dem Wasser gezogen.
       Das war aufregend! Das Lösen der Fische vom Haken überließ er jedoch lieber Paul, davor ekelte er sich ein wenig. Paul schmunzelte amüsiert, als er Ralfs Miene sah. »Das ist alles Gewöhnungssache, Ralf! Und keine Angst; die Fische merken nicht viel davon. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Fische ein 400fach geringeres Schmerzempfinden haben als wir Menschen. Stell dir vor: Du sitzt beim Zahnarzt, der dir zuvor eine Betäubungsspritze gegeben hat - danach merkst du vom Bohren doch auch nichts, oder? So ungefähr musst du dir das denken.«
       Naja, unter diesem Gesichtspunkt konnte Ralf dann auch das Lösen der Fische vom Angelhaken besser verkraften. Auch
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