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0639 - Merlins Zauberwald

0639 - Merlins Zauberwald

Titel: 0639 - Merlins Zauberwald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Sie erinnerte sieh; es war noch nicht lange her. Da stand sie Merlin und seinem dunklen Bruder gegenüber, und Asmodis hatte gesagt: »Jetzt hast du die Wahl, Babuschka: Entweder du tötest Zamorra, dann wirst du auf deine Tochter verzichten müssen und leben. Oder du läßt ihn am Leben und bekommst dafür einen Hinweis darauf, wo sich deine Tochter aufhält, wirst aber von Zamorra getötet werden. Nun entscheide dich.«
    Sie hatte sich entschieden. [1]
    Sie hatte ihren Gegner Zamorra freigegeben, der sich in ihrer tödlichen Falle befand, der jeden Augenblick hätte sterben müssen in der tödlichen Umschlingung der mörderischen Dornenranken.
    Sie hatte darauf verzichtet, Zamorra zu töten.
    Ihre Tochter, längst verloren geglaubt, vergessen und vergangen im Strom der Zeiten, war ihr wichtiger… wirst aber von Zamorra getötet werden. Mußte sie dieses Risiko denn nicht in Kauf nehmen? Mußte sie nicht ihren eigenen Tod akzeptieren, um zu erfahren, ob ihre Tochter noch existierte? Ihr Kind?
    Es war doch wichtiger als alles andere, wichtiger selbst als ihre eigene Existenz! Und sie war bereit, auf diese zu verzichten.
    Deshalb gab sie Zamorra aus dem Knochenkäfig und der tödlichen Umschlingung frei.
    Aber Asmodis blieb orakelhaft: »Wenn du wirklich wissen willst, wo deine Tochter sich aufhält, solltest du Merlin fragen. Kennst du Merlins Zauberwald Broceliande? Dort wirst du diesen Hinweis finden!«
    »Verräter!« fuhr Yaga ihn an. »Hier und jetzt will ich es wissen!«
    »Nach Broceliande mußt du gehen«, wiederholte Asmodis.
    »Aber Broceliande ist verschlossen! Es gibt keinen Zugang mehr zu dem Zauberwald, schon lange nicht mehr! Und du weißt das sehr wohl, Verräter-Fürst!«
    Asmodis grinste. »Jener, der darüber gebietet, steht vor dir.« Er deutete auf Merlin.
    Da wandte Yaga sich dem Magier von Avalon zu und forderte energisch: »Du mußt mir den Zugang gewähren!«
    »Ich muß?«
    »So lautet der Handel! Zamorras Leben für den Hinweis! Wenn dieser sich in Broceliande befindet, muß ich dorthin!«
    »Den Handel hast du mit Asmodis abgeschlossen, nicht mit mir«, protestierte Merlin.
    »Bruder für Bruder, Blut für Blut!« schrie Baba Yaga ihn an. »Oder hat der große Merlin seine Ehre verloren?«
    »Ich gewähre dir den Zugang nach Broceliande, Yaga«, sagte der schließlich düster.
    Baba Yaga atmete erleichtert auf.
    »Ich danke dir, großer Merlin«, sagte sie förmlich.
    »Bedanke dich bei Asmodis, der mich mit seinem üblen Trick dazu gezwungen hat«, erwiderte Merlin.
    So war es gewesen, als sie einen für sie selbst üblen Handel abgeschlossen hatte.
    Sie kehrte in ihr Haus zurück. Zamorra setzte ihr sogleich nach; die Zeitspanne, in welcher Yaga sich mit den beiden ungleichen Brüdern gestritten hatte, nutzte er, um sich zu erholen und neue Kräfte zu sammeln.
    Aber er kam zu spät.
    Er erreichte zwar den Raum, in dem der Ofen der Baba stand.
    Aber da schwang sie sich bereits auf ihn, als sei er ein Reittier, und in gewisser Hinsicht war er das auch. Sie griff nach den Zügeln, trieb den Ofen an. Auf seinen vier Hühnerbeinen setzte er sich gehorsam in Bewegung. Dahinter öffnete sich eine Tür, durch die die Hexe hinausritt - in die von ihrer Träne geschaffene Dunkelheit, in der Zamorras Amulett-Magie keine Wirkung mehr besaß…
    Schrill lachte sie ihn aus.
    »Ja, mein Jüngelchen«, kreischte sie ihm zum Abschied zu. »Du wirst mich töten, wie der Fürst der Finsternis es gesagt hat. Aber das Wann, Wo und Wie, das bestimme nur ich allein!«
    Zamorra folgte ihr ein paar Schritte nach draußen und starrte ihr nach. Sie spürte seinen Blick wie einen Dolchstich im Rücken. Aber er konnte nichts mehr tun. Er erreichte sie nicht mehr.
    Denn im nächsten Moment war sie verschwunden. Sie hatte sich unsichtbar gemacht.
    Und hinter ihr, und hinter Zamorra, versank ihr Haus wieder im Nichts, aus dem es anfangs emporgestiegen war.
    Die alte Hexe hatte wieder einmal gewonnen…
    Aber hatte sie das wirklich ?
    Hatte sie nicht selbst das Todesurteil über sich gesprochen? Natürlich würde Zamorra sie nicht sofort töten. Sie konnte diesen Augenblick hinauszögern. Allein dadurch, daß sie ihm aus dem Weg ging. Es würde ihm sehr schwerfallen, sie zu finden.
    Und doch…
    Ihre Tochter zu finden, war ihr immer noch wichtiger als alles andere, selbst jetzt noch, da sie Wochen Zeit gefunden hatte, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Sie bereute nichts. Sie hatte lange gelebt, sehr lange,
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