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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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über die Ängste um meine Mutter reden, mit Menschen, die mich verstehen.
    Das gilt vor allem für Paul. Ich glaube, er versteht mich besser als jeder andere.
    Als der Club zumachte, gingen wir zusammen zum Wohnheim zurück, und auf dem Weg dorthin hat er mich geküsst.
    Ich blickte zum Mond hinauf und dachte mir: Lieber Gott, bitte mach, dass dieser Abend niemals endet.
    Paul ist so romantisch, so freundlich und nicht halb so traurig wie viele der anderen Flüchtlinge, die wir in dem Club getroffen haben.
    Oder wie ich, ganz tief in meinem Herzen.
    Allerdings ist Paul zusammen mit seinen Eltern nach England gekommen. Sie leben beide noch, es geht ihnen gut und er ist nicht allein.
    Er hat gesagt, er wolle bald mit mir nach London fahren, um mich seinen Eltern vorzustellen. Ich kann es kaum erwarten.
    Liebes Tagebuch,
    heute, am 23. September, bin ich mit Paul nach London gefahren und habe seine Eltern kennengelernt.
    Sie sind sehr, sehr nett. Sein Vater ist ein echter Wiener, ein sehr herzlicher und charmanter Mensch.
    Er hat mir eine Flasche Chanel Nr. 5 geschenkt, und ich wüsste zu gern, wo er die herhat.
    Pauls Mutter stammt aus Rumänien und ist ein ganz anderer Typ Mensch. Sie ist nervös wie ein Vögelchen, aber auch sehr taktvoll und besorgt um mich.
    Sie haben mich zum Mittagessen ins Lyons Corner House eingeladen, ein elegantes Londoner Restaurant, in das ich hoffentlich bald mal mit meiner Mutter gehen kann – so Gott will. Nach dem Essen sind wir in ein Geschäft namens Fisher gegangen und sie haben mir ein wunderschönes rotes Kleid gekauft.
    Zuerst wollte ich es nicht annehmen, doch Pauls Mutter bestand darauf. »Mein liebes Kind«, hat sie gesagt, »du machst meinen Sohn so glücklich. Dieses Kleid ist nur ein kleines Dankeschön dafür.«
    Sie hat es so lieb und aufrichtig gesagt, dass ich nicht ablehnen konnte.
    Ich finde sie zauberhaft, ebenso wie Pauls Vater. Und Paul – oh Paul – du bist die Liebe meines Lebens und wirst es immer sein.
    Liebes Tagebuch,
    heute ist mein 17. Geburtstag, und Paul und ich haben uns verlobt. Ich wünschte, ich könnte es Mama sagen!
    Ich kann es immer noch nicht fassen, wie glücklich ich bin! Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, endlich wieder zu jemandem zu gehören. Und ich liebe Paul mit jeder Faser meines Herzens, und das wird sich nie, nie, nie ändern!
    Ich war so glücklich, so verliebt, doch tief in meinem Herzen war immer noch diese Traurigkeit, weil ich nicht wusste, wo meine Mutter war. Ich wusste ja nicht einmal, ob sie noch lebte oder nicht.
    Tag für Tag wartete ich auf eine Nachricht aus Deutschland, und ich hörte natürlich immer Radio und las die Zeitung, um zu erfahren, wann dieser unselige Krieg endlich vorbei sein würde.
    Am 14. Februar 1945 erfuhr ich von dem Bombenangriff auf Dresden. Am 30. April 1945 kam die Nachricht, dass Adolf Hitler in Berlin Selbstmord begangen hatte, und am 8. Mai 1945 hörte ich endlich, dass Deutschland kapituliert hatte!
    Mein großer Held Winston Churchill sagte in seiner Rundfunkansprache:
    »Gestern morgen um 2.41 Uhr unterzeichneten Generaloberst Jodl im Namen des deutschen Oberkommandos und Großadmiral Dönitz, den Hitler zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, im Alliierten Hauptquartier in Reims die Urkunde der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Streitkräfte zu Land, zur See und in der Luft.
    Das englische Parlament begibt sich nun in die St.-Margaret-Kirche, Westminster, um dem allmächtigen Gott dafür zu danken, dass die Bedrohung einer deutschen Herrschaft von uns genommen ist.«
    In ganz England läuteten die Siegesglocken, Feuerwerkskörper wurden abgefeuert, und die Bevölkerung feierte mit Straßenfesten, Tanz und allen erdenklichen Festivitäten.
    Am VE -Tag, dem Tag des Sieges in Europa, am 8. Mai, musste Paul arbeiten, doch Lotte, die extra aus Schottland angereist war, und ich konnten an den Feierlichkeiten in London teilnehmen, und wir stellten uns unter die jubelnde Menge vor dem Buckingham-Palast.
    Hingerissen konnten wir miterleben, wie der König, die Königin, die beiden Prinzessinnen und Winston Churchill vom Balkon des Palasts aus der Menge zuwinkten, und das Volk und auch wir applaudierten begeistert.
    Als die Jubelrufe endlich nachließen und sich die Menschenmenge nach und nach zerstreute, stiegen Lotte und ich die Stufen des Victoria Memorials hinauf, wo wir vor vielen Jahren, als kleine Flüchtlingsmädchen, Hunderte von Meilen fern der Heimat, Shirley Temples »On
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