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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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verweht« aus. Sie ist ein herzlicher Mensch und hat mich sofort mit ›Poppet‹ – Püppchen angeredet).
    Seltsam, dass ich Deutschland verlassen musste, weil Hitler die Juden so hasst, und hier in England bei einer Familie lebe, die Hitlers Meinung teilt!
    Ich begreife wirklich nicht, warum die Juden so gehasst werden.
    Schließlich sind auch Einstein, Mahler, Proust, George Gershwin, Sarah Bernhardt und sogar Hedy Lamarr (die die erste Nacktszene in der Filmwelt spielte) Juden. Ebenso die Marx Brothers, die lustigsten Komiker, die ich kenne.
    Ich fürchte, ich werde es nie verstehen.
    Ich muss aufhören, Auntie ruft mich.
    Liebes Tagebuch,
    es ist erst vier Tage her, seit Mrs Rose und Steven zu uns kamen, aber jetzt steht meine Welt kopf.
    Und das nur, weil Auntie Mrs Rose vor drei Tagen die Hausarbeit machen ließ!
    Als Mrs Rose mir den Brief zeigte, den sie beim Leeren des Papierkorbs in Aunties Arbeitszimmer gefunden hatte, war ich drauf und dran, mich zu übergeben.
    »Die Israeliten übernehmen das Kommando in meinem Haus« – so fing der Brief an.
    Auch der Rest des Briefes war so gemein, dass ich es nicht über mich bringe, ihn zu wiederholen, nicht einmal hier.
    Alles was ich weiß, ist, dass Mrs Rose ihren Steven an die Hand nahm und schnurstracks das Haus verließ, nachdem sie den Brief gelesen hatte.
    »Lieber schlafe ich auf dem Fußboden einer armseligen Hütte, Mrs Beard, als hier in ihrer Villa zu bleiben!«, hatte sie gefaucht, bevor sie die Tür hinter sich zuschlug.
    Auntie stand nur da, bleich wie ein Gespenst, und sagte leise, aber doch laut genug, dass ich es hören konnte: »Verdammtes Judenpack!«
    Zuvor hatte mich Mrs Rose noch gebeten, sie morgen auf einen Kaffee im Copper Kettle zu treffen, aber Auntie nichts davon zu erzählen.
    Ich ging wie verabredet ins Copper Kettle und hatte Auntie natürlich nichts davon erzählt.
    Als ich das Café betrat, saß Mrs Rose schon da und wartete auf mich, allein.
    Ich weiß noch, wie enttäuscht ich im ersten Moment war, weil ich gehofft hatte, sie würde ihren kleinen Sohn mitbringen.
    Außerdem hatte ich angenommen, Mrs Rose sei nun glücklich und erleichtert, da sie die Beards verlassen hatte, doch sie wirkte sehr ernst und besorgt, und als ich an ihren Tisch trat, sah ich, dass sie unter dem Tisch mit ihrem Fuß wippte, immer schneller und schneller.
    »Es fällt mir nicht leicht, es dir zu sagen, Marion«, begann sie, »aber ich habe dem Flüchtlingskomitee eine Kopie des Briefes gegeben, den deine Pflegemutter, Mrs Beard, geschrieben hat, und sie sind wie ich der Meinung, dass sie eine fanatische Judenhasserin und folglich ungeeignet ist, sich weiterhin um dich zu kümmern.«
    Ich wusste, dass Mrs Rose recht hatte. Das alles traf auf Mrs Beard zu.
    Aber sie war auch die Frau, die mich jeden Samstag ins Theater oder Kino mitnahm, die mich ermutigte, bei Scharaden mitzumachen, die mir beigebracht hatte, meine Emotionen zu kontrollieren und die mir während der letzten vier Jahre ein Heim geboten hatte.
    All das versuchte ich, Mrs Rose zu erklären und auch der Frau vom Flüchtlingskomitee, zu der sie mich anschließend mitnahm, doch sie ließen sich nicht erweichen.
    Letztendlich sei ich Jüdin und Auntie eine Antisemitin und das könne nicht gut für mich sein.
    Die Frau vom Flüchtlingskomitee sagte schließlich, so nett und freundlich, wie sie konnte, ich hätte genau zwei Tage Zeit, bevor ich Auntie verlassen und in ein jüdisches Wohnheim am Parker’s Place übersiedeln müsse, das das Komitee für mich gefunden habe.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu fügen.
    Aber wie sollte ich Auntie diese Nachricht beibringen?
    Als ich nach Hause kam, war Auntie nicht da.
    Die Putzfrau erklärte mir, sie sei überraschend zu ihrer Schwester nach Tunbridge und Mr Beard und die Mädchen seien zum Campen gefahren.
    Die nächsten zwei Tage war ich allein im Haus und packte meine Sachen. Ich war traurig, weil ich das Haus verlassen würde, das während der letzten vier Jahre doch so etwas wie mein Heim geworden war.
    An meinem allerletzten Morgen in der Barrow Road kamen Margarets Eltern, holten mich und mein Gepäck ab und brachten mich in das jüdische Wohnheim.
    Ich wartete im Wagen, während sie meine Sachen ins Haus brachten.
    Ich weiß noch, dass ich dachte: Das Wohnheim kann warten, bis ich mich endgültig von der Barrow Road verabschiedet und meine wenigen Wertsachen geholt habe.
    Ich ging noch einmal zurück. Als ich die Haustür
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