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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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neu anfangen könnt! Die alte Gemeinde kennt eure Macken, aber sie sagt kein Sterbenswörtchen, sonst kriegt sie euch nicht los. Die neue hat keine Ahnung und denkt, sie hätt’ was ganz Tolles ergattert. Bis sie merkt, was los ist, könnt ihr schon wieder woanders hingehen. Das ist eine wunderbare Lösung, findest du nicht auch?«
    »Na ja«, er lachte, »ich hätte es anders formuliert.«
    »Denk dir, jetzt kannst du all deine alten Predigten wieder aufwärmen. Die neue Gemeinde hat sie noch nie gehört. Das ist eine große Arbeitserleichterung! Unsere Wochenenden werden sich ganz neu gestalten, wenn du nicht dauernd Predigt machen mußt und alle übrige Arbeit an mir hängenbleibt. Das war für mich immer eine arge Anfechtung, ich muß es dir einmal sagen. Alle anderen Männer haben über das Wochenende frei, nur du hockst im Studierzimmer und brütest und brütest und kannst keinen normalen Gedanken fassen. Aber das wird ja nun alles anders. Mein Krippenspiel haben sie auch noch nicht gesehen und deine Witze noch nie gehört, und sie ahnen nicht, wie schlecht ich kochen kann. Manfred, vielleicht freuen sie sich richtig, wenn wir sie einladen...«
    So schwelgte ich in Zukunftsträumen, bis mich das Kopfsteinpflaster der Kleinstadt in die Wirklichkeit zurückriß. Hier in der Pfarrgasse sollte sich die erste der ausgeschriebenen Stellen befinden.
    Das alte Patrizierhaus empfing uns mit Kühle und muffigem Moderhauch, der Amtsbruder dagegen mit Wärme und dampfender Pfeife. Er öffnete die Tür seiner Studierstube, ging dann mit einem kurzen Wort der Entschuldigung voran, um uns den Weg zu bahnen durch Karteikästen, Pläne und Plakate, und räumte Aktenbündel und Zeitschriften von zwei Stühlen, so daß wir Platz nehmen konnten. Er selber bezog Stellung vor dem Schreibtisch, wobei er sorgsam darauf bedacht war, die bedrohlich schief geneigten Aktenberge abzustützen.
    »Dies alles«, ich rollte mit den Augen über Akten, Papiere und Zeitschriften hin, »dies alles ist gewiß Ihr persönliches Eigentum, und Sie werden es einpacken und mitnehmen in Ihre neue Heimat.«
    »Aber nein, nicht doch!« rief er, »dies gehört alles hierher, bis auf den letzten Zettel, und Sie werden es vorfinden, wenn Sie kommen, und in den Schränken liegt noch viel mehr. Schauen Sie!« Er öffnete einen Wandschrank, schloß ihn aber sofort wieder, da die Fülle des Papiers Anstalten machte herauszuquellen. »Und nichts davon ist bearbeitet! Manches erledigt sich mit der Zeit von selbst, das andere wartet auf den Nachfolger!«
    Manfred seufzte. Das Telefon läutete.
    »Gwinfried«, rief eine Stimme von draußen, »Gwinfried, das Telefon...«
    »So geht es den ganzen Tag«, er hob bedauernd die Hände, begab sich hinter den Schreibtisch zum Telefon und ward nunmehr unserem Gesichtskreis völlig entrückt. Seine Stimme jedoch tönte über das Aktengebirge zu uns herüber und vermeldete düstere Nachricht.
    Ein Gemeindezentrum von ungeahnten Ausmaßen solle erbaut werden, Kindergarten, Mitarbeiterwohnungen und Gemeindesaal. Er hätte dies alles aufs beste vorbereitet und gerne das Projekt bis zur Vollendung geführt, jedoch winke eine wichtigere Aufgabe für ihn. So sei er genötigt, den Bau in die Hände des Nachfolgers zu legen. Weiß Gott, es würde für diesen ein gehörig Maß Arbeit geben, jedoch die Befriedigung hinterher, wenn nach Jahren alles wohlgelungen und die Einweihung stattgefunden, diese Befriedigung würde alle Mühe reichlich lohnen. Der junge Amtsbruder werde ihm sicherlich recht geben.
    Der junge Amtsbruder aber wiegte zweifelnd den Kopf und antwortete äußerst zurückhaltend, daß er nicht wisse, ob er der richtige Mann sei für diese Aufgabe. Befriedigungen in weiter Ferne hätten ihn eigentlich noch nie zu großen Taten verlockt, und er müsse es erst mit seiner Frau überdenken.
    Seine Frau hatte sich bereits erhoben, schlich vorsichtig am Schreibtisch vorbei, um nicht unter stürzenden Aktenlawinen begraben zu werden und strebte, nachdem sie der Gefahrenzone unverletzt entkommen, eilig der Tür zu.
    Der Kollege kam hinter dem Schreibtisch hervor.
    »Halt!« rief er, »Sie müssen noch die Baupläne sehen, sonst versäumen Sie das Wichtigste!«
    Da klingelte erneut das Telefon.
    »Gwinfried«, ertönte wieder die Stimme, »das Telefon!«
    Er verschwand seufzend hinter seinen Akten, wir aber nutzten die Gelegenheit und flohen.
    Warm war es draußen und roch nach Frühling. Ich schnupperte entzückt, aber Manfred
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