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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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gewöhnt, aber von Ihnen kann man das nicht verlangen.«
    »Nein, wirklich nicht«, knurrte Manfred, rieb sich mit der einen Hand die Nase und schob mich mit der anderen die Kellertreppe hinauf, der Haustür zu.
    »Ja, wir Pfarrleute müssen immer schieben«, sagte die Pfarrfrau, »sonst läuft nichts in der Gemeinde, aber wir tun es ja gern.«
    Ihr Mann nickte bestätigend. Wir traten ins Freie, und das Tor des Paradieses klappte hinter uns zu. An der Gartentür blieben wir stehen und schauten noch einmal zurück. »Willst du ihre Nachfolgerin werden, Malchen?«
    »Nein«, ich schüttelte heftig den Kopf, »ich bin zu kleinlich.«
    Es dämmerte bereits, als wir die Großstadt erreichten und in den Stoßverkehr gerieten. Ich schloß die Augen, ich hielt mir die Ohren zu, gedachte des stillen Dörfleins und meiner armen Kinder und hoffte inständig, bei einem Zusammenprall gleich mausetot und nicht erst schmerzhaft verwundet zu sein.
    Die Großstädter fuhren wie die Wilden, wechselten die Fahrbahnen, wann immer es ihnen paßte, fuhren so dicht an uns vorüber, daß es zischte, hupten den wegunkundigen Hinterwäldler wütend an und taten dies alles so lange, bis dessen ohnehin stark strapazierter Geduldsfaden riß. Er richtete sich auf, erhob seine Hand zu unzweideutiger Gebärde, knirschte mit den Zähnen und sprach Worte, die eines Pfarrers Mund nicht sprechen sollte. Dann gab er Gas, überholte rechts und links, hupte, bremste und tat es den anderen Wilden in jeder Weise nach.
    Ich schwieg zu all diesem, obwohl mir so einiges auf der Zunge brannte. Wahrheiten über Pfarrer, die schön und ergreifend predigen, aber ganz und gar verwerflich handeln. Denen es am Steuer an jeglicher Nächstenliebe mangelt und deren Herz einzig erfüllt ist mit unchristlicher Wut. So dachte ich, sprach es vielleicht auch leise vor mich hin, und über diesen traurigen Betrachtungen gelangten wir in die Gegend, die wir suchten. Wir befanden uns in einer breiten Straßenschlucht, rechts und links begrenzt von hohen Häusern, am Randstein ein parkendes Auto hinter dem anderen, in der Mitte der fließende Strom der Fahrzeuge — und wir tief im Strudel.
    »O, wie schön haben wir es doch zu Hause!« so sprach ich nun laut und deutlich, »in unserem trauten Dörflern. Laß uns dorthin zurückkehren, sonst werde ich verrückt!«
    »Aber vorher schau noch nach den Hausnummern«, sagte der Mann am Steuer, »ich kann nicht alles alleine machen.«
    Ich verstummte tiefgekränkt und gab mir Mühe, die Hausnummern zu entziffern.
    »Hundertsechsundvierzig, hundertachtundvierzig, hundertfünfzig, das ist es! Halt an! Himmel, was für ein Ungetüm! Ein Wolkenkratzer!«
    Manfred versuchte das Auto in eine Parklücke zu manövrieren, hinter uns hupte die Schlange der Autofahrer.
    »Laß mich raus, ich kann’s nicht mit anhören!«
    »Laß gefälligst die Tür zu!«
    Bis das Auto in der Lücke stand, waren wir beide einem Nervenzusammenbruch nahe, die Fahrer hinter uns auch.
    Eine verwirrende Anzahl von Klingelknöpfen schmückte die Wand neben der Haustür. Manfred drückte auf den obersten, ein Summer ertönte, die Tür ging auf, und mit zitternden Knien keuchte ich neben ihm die Treppen hinauf. Bei der sechzigsten Stufe hörte ich auf zu zählen, weil mir die Puste ausging. Die Wohnungstür stand bereits offen, als wir oben anlangten. Das Pfarrehepaar Heisterwang empfing uns mit mitleidigem Lächeln.
    »An das Steigen muß man sich erst gewöhnen«, sagte sie.
    »Gut für die Kondition!« sprach er.
    Sie nötigten uns in einen langen, engen Flur. Wir schoben uns im Gänsemarsch durch dieses seltsam vertrackte Wohngebilde. Fünf Zimmer, Küche, Bad, eine Terrasse und zwei Balkons, so stand es in der Stellenbeschreibung, und so konnten wir es nun mit eigenen Augen sehen.
    Der eine Balkon, vom Eßzimmer aus zu erreichen, ging auf die Straße hinaus. Ich umklammerte das Geländer und blickte schaudernd hinunter in die Tiefe. Zwei glitzernde Autoschlangen wanden sich durch die Schlucht, die eine stadteinwärts, die andere stadtauswärts.
    »Manfred, lehn dich doch nicht so weit vor!«
    Ich packte seinen Arm und suchte ihn vom Geländer wegzuzerren, denn war er vorhin im Auto auch unfreundlich zu mir gewesen, runterfallen sollte er nun doch nicht. »Für Menschen ist dieser Balkon eigentlich nicht geeignet«, meinte Herr Heisterwang, »es ist rußig hier und laut. Aber die Tauben suchen ihn gerne auf, benutzen ihn als Nistplatz und Absteigequartier — ein
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