Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
Vom Netzwerk:
Platz für Tiere inmitten der Großstadt!« Er lachte herzlich.
    »Sehr witzig!« bemerkte seine Frau, die mit grämlichem Gesicht daneben stand. »Du solltest dieses Tierparadies einmal putzen, mein lieber Theo, dann würde dir das Lachen schon vergehen. Es regnet Ruß und Staub. Und was die Tauben so hinterlassen...«, sie seufzte.
    Der zweite Balkon befand sich vor der Küche und ging zum Hof hinaus. Ich richtete meinen Blick zu den Leinen empor, die da kreuz und quer gespannt waren.
    »Hier hängen Sie also Ihre Wäsche auf? Wie herrlich muß sie duften, in luftiger Höhe getrocknet!«
    »Ja, sie duftet!« antwortete Frau Heisterwang, »aber man gewöhnt sich daran...«, dann klappte sie den Mund zu und gab keine weiteren Erklärungen.
    »Nun genießen Sie noch den herrlichen Blick von der Terrasse!« rief der Amtsbruder. Wir sahen die Stadt im Lichterglanz unter uns liegen, sahen die Weinberge und bewaldeten Höhenrücken, sagten »Prachtvoll! Wunderbar! Wirklich sehr schön!« und wußten doch beide, daß wir hier nicht wohnen wollten.
    Es zog auf der Terrasse. Wir drängten zurück in den Schutz der Wohnung und wären am liebsten sofort wieder vom hohen Olymp hinuntergestiegen, aber Theophil Heisterwang hatte unser Zögern wohl bemerkt und nötigte uns noch »für ein kleines halbes Stündchen« in sein Amtszimmer.
    »Ich muß Ihnen klarmachen«, so sprach er, »wie verlockend diese Stelle doch ist. Wir sind zu viert an der Nikodemuskirche. Bedenken Sie die Vorteile! Man muß nicht jeden Sonntag predigen und trägt nicht alle Last allein auf den Schultern. Dies führt natürlich auch zu mancherlei Schwierigkeiten. Sie verstehen, was ich meine?«
    Ja, wir verstanden es.
    » Glücklich sind die beiden Beene, die am Altar stehn alleene! « So lautet eine alte Pfarrersweisheit, und recht hat sie, denn Pfarrer sind auch Menschen mit Empfindlichkeiten und Eigenheiten. Ein Dienst zu viert mochte wohl seine Schwierigkeiten haben, besonders, wenn man bedenkt, daß zu jedem Pfarrer noch eine Pfarrfrau gehört, bereit, seine Interessen zu wahren und sie mit Vehemenz zu vertreten. Ich kannte es von meinem Elternhaus her. »Paul-Gerhard, warum hast du heute nicht >Stille Nacht< singen lassen?« so fragte meine Mutter mit sanftem Tadel, »die Leute singen es am Heiligen Abend so gerne. Mit >Ein Kindelein so löbelich< hast du sie richtig vor den Kopf gestoßen. Diese schwierige Melodie und dann der altertümliche Text! Der Herr Missionar läßt immer Lieder singen, die jeder mag, deshalb ist bei ihm die Kirche auch voll...«
    Mein Vater verteidigte sich nie, ging aus dem Zimmer und war »betrübt«.
    »Du solltest sowas nicht sagen, Mutti! Wirklich, das ist ganz falsch! Jetzt ist er traurig!«
    »Ach Kind, ich will doch nur sein Bestes! Er predigt viel besser als der Missionar, aber er ist manchmal so schrecklich unklug...«

    Jeder der vier Pfarrer hätte seinen besonderen Bereich, erklärte Theophil Heisterwang. Er zum Beispiel sei für die Jugendarbeit verantwortlich, welche — in aller Bescheidenheit sei’s gesagt — so herrlich blühe, daß es ein rechter Segen sei. Er habe sich aber auch ganz dafür eingesetzt, sei an freien Wochenenden mit der Jugend auf Fahrt gegangen und zu Freizeiten und habe viel Zeit investiert.
    »Und Sie sind immer mitgefahren?« fragte ich seine Frau.
    »Manchmal«, antwortete er für sie, »immer ging es natürlich nicht. Wir haben schließlich zwei Kinder.«
    Ich sah mich schon winkend auf dem Straßenbalkon stehen, Andreas und Mathias greinend am Rockzipfel, unten auf der Straße Manfred, lachend, mit Rucksack und Lederhose, im Kreis ansprechender junger Leute.
    »Ich glaube nicht, daß ich die Stadtluft vertrage«, äußerte ich nach dieser unerfreulichen Zukunftsvision, »ich bin ziemlich blutarm und manchmal habe ich Rückenschmerzen.«
    »Dann ist diese Stelle genau richtig für Sie!« Herr Heisterwang wurde ganz eifrig und schlug mir sogar auf die Schulter. »Hier können Sie sich pflegen, denn als Pfarrfrau brauchen Sie nichts in der Gemeinde zu arbeiten. Die Kreise sind in den besten Händen. Meine Frau hat nur bei uns in der Wohnung gewirkt, denn wie hätte ich die große Aufgabe bewältigen können, wenn sie mir nicht zu Hause alles vom Leib gehalten hätte?«
    Was denn? Kein Mädchenkreis, kein Frauenkreis, kein Kirchenchor, überhaupt gar nichts?
    Ich wirkte in unserem Dörfchen mit dem angenehmen Gefühl, eine wichtige Persönlichkeit zu sein, allseits bekannt und tapfer im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher