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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Stellensuche mit Pferdefuß

    »Mistviehcher elendigliche! Rupfen sollte man sie, braten, in den Suppentopf stecken!« Ich packte Manfreds Briefbeschwerer und riß das Fenster auf. »Schau nur, wie sie meinen frischgepflanzten Salat fressen, wie sie scharren und picken. Nur wenn’s ans Eierlegen geht, dann verschwinden sie. Hühnerbrut!«
    Manfred wand mir den Briefbeschwerer aus der Hand. »Sei friedlich, Malchen, du könntest eines treffen! Was meinst du, was der Nachbar sagen würde? Vielleicht brauchst du dich nicht mehr lange zu ärgern.«
    »Wieso? Willst du den Zaun flicken? Ich sage dir, es ist zwecklos. Im Handumdrehen haben sie einen Tunnel gescharrt...«
    »Jetzt hör mir mal zu, wenn’s möglich ist!«
    »Natürlich ist es möglich! Pfarrfrauen müssen zuhören können, ich habe es in der Pfarrbräuterüstzeit gelernt...«
    »Ah ja, und seitdem kannst du es?«
    »Manfred, sei nicht ironisch! Ich kann das nicht leiden!«
    »Ich bin nicht ironisch! Ich will hier weg!«
    »Hier weg?« Ich sank auf einen Stuhl, »aber wir sind doch eben erst gekommen!«
    »Eben? Du hast Nerven! Sieben Jahre sind’s her. Und nach sieben Jahren sollte ein Pfarrer die Stelle wechseln.«
    »Aber warum denn? Gerade jetzt, wo ich die Leute kenne und weiß, wie sie heißen und ihren Dialekt verstehe...«
    »Die Gemeinde braucht einen neuen Pfarrer! Einen, der anders predigt, andere Lieder singen läßt, andere Menschen anspricht. Und ich, ich brauche eine Stelle, in der ich neu anfangen kann.«
    Er sprang auf und ging ans Fenster. Ich gesellte mich zu ihm, und wir schauten schweigend hinunter in unsere Welt. Der Garten war nicht sonderlich prächtig, aber auf der Rabatte blühten Tulpen und Hyazinthen, und am Zaun entlang leuchteten die Forsythien. Drüben, vor der Kirche, spielten unsere Söhne »Fangerles«. Sie lärmten und tobten mit ihren kleinen Freunden und verfugten über ein ganzes Königreich: einen Kirchplatz und einen Garten, Bäume zum Klettern und Mauern zum Runterfallen, Bächlein und Rinnsale zum Waten und Schmutzigmachen und zahlreiches Federvieh zum Jagen.
    Manfred räusperte sich. »Was hältst du von einer Pfarrstelle in der Stadt?«
    Im Stall jenseits der Straße grunzten Nachbars Schweine. Seine Hühner beehrten unseren Garten. Sein Misthaufen duftete mild in unsere Nasen. Sein Töchterchen brachte zur Winterszeit eine Kanne voll köstlicher Metzelsuppe ins Pfarrhaus, stellte eine Schüssel mit Leber- und Griebenwurst auf den Küchentisch, und, wenn ich mich den Hühnern gegenüber freundlich verhielt, auch noch eine mit Sauerkraut und Wellfleisch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, ich schluckte vernehmlich.
    »Möchtest du gerne Frau Stadtpfarrer werden?«
    Die dörfliche Idylle nebst Wellfleisch und Metzelsuppe versank. Prachtvolle Schaufenster tauchten auf, Theaterfoyers mit festlich geputzten Menschen, Kinos und Straßenbahnen. Ein stolzer Dom, ein hohes Münster, gefüllt bis auf den letzten Platz. Manfred vor dem Altar.
    Ich, in der Pfarrbank, geehrt, bewundert. Frau Stadtpfarrer!
    Ein Pfarrhaus mit Zentralheizung und Bad, ein Park darum mit lauschigen Bäumen, ein Dienstmädchen mit weißer Schürze, ein Gärtner mit grüner, und dies alles in vornehmer Villengegend, stille, gepflegte Straßen, Passanten mit bewundernden Blicken und gezogenem Hut: »Grüß Gott, Frau Stadtpfarrer!«
    »Fünf Stellen sind ausgeschrieben«, sagte Manfred, »drei davon klingen der Beschreibung nach ganz respektabel. Wir müssen hinfahren und sie anschauen!«
    »Ja, das wollen wir tun, so schnell wie möglich. Und das allerschönste Haus, das nehmen wir, gell Manfred?«
    Er nickte, und freudig erregt eilte ich in den Garten.
    »Tut nur, was ihr nicht lassen könnt!« sagte ich zu den Hühnern, »freßt Salat, bis ihr platzt! Wir werden ihn doch nicht mehr ernten! Wir gehen in die Stadt!«
    In solcher Weise sprach ich mit den Hühnern, und der ungewohnte Ton fuhr ihnen in die Glieder. Sie verdrehten Augen und Hälse und stoben, hysterisch glucksend, über den Zaun. Erst am nächsten Tag kehrten sie wieder, noch immer sehr verunsichert.
    Manfred aber telefonierte mit den Kollegen und sagte unseren Besuch an.

    Eines schönen Nachmittags bestiegen wir das Auto und fuhren frohgestimmt einer neuen, beglückenden Zukunft entgegen.
    »Weißt du, Manfred«, sagte ich während der Fahrt und schaute sinnend hinaus auf die frühlingsgrünen Felder, »ich finde, es ist eine große Chance für euch Pfarrer, daß ihr immer wieder
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