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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Mädchen, und sie redete gern und viel. Jeden Tag wollte sie mit einem anderen Namen gerufen werden. Nicht wie ein Mensch wollte sie heißen, sondern wie ein Tier, weil sie Tiere in ihrem Leben schmerzlich vermißte. Heute nun wollte sie »Schneckle« heißen, denn sie hatte beim Spaziergang eine Schnecke gefunden, welche sie mitgebracht hatte, damit ich sie bewundern könne.
    »Sie hat weiche Hörner auf dem Kopf, Frau Müller, und sie trägt ihr Haus auf dem Rücken, deshalb kommt sie auch so langsam voran. Ich setz sie jetzt hier an die Küchentür und bis du mir das Märchen von der Schnecke und dem Königssohn erzählt hast, gucken wir gar nicht hin, und dann gucken wir und sehen, wie weit sie ist. Du mußt mich jetzt >Schneckle< heißen, gell, Frau Müller!«
    »Ja, gut, Schneckle!«
    »Frau Müller, der Pappi sagt, du hast nicht hierher wollen. Warum hast du das nicht wollen?«
    »Ach, Schneckle, das ist schwer zu sagen.«
    »Du hast doch gewußt, daß ich zu dir komm, wenn die Buben in der Schule sind!«
    Sie nannte Andreas und Mathias nur »die Buben«, sprach sie auch nie direkt an, sondern nur über mich. »Frau Müller, frag die Buben, ob sie für mich was Gutes haben!« — »Frau Müller, sag den Buben, sie sollen ihr Radio nicht so laut anmachen!« Die Einzahl hieß dann: »Frau Müller, frag den Bub, ob ich mal durch sein Mikroko gucken darf...«
    Jetzt also stand das Schneckle neben mir in der Küche und wollte Genaueres hören.
    »Du hast doch gewußt, Frau Müller, daß ich zu dir komm und daß du nicht allein sein mußt, warum hast du dann nicht her wollen?«
    »Schneckle, ich hätt so gern ein schönes, großes Haus gehabt!«
    »Aber es ist doch ein schönes, großes Haus, Frau Müller!«
    »Ich wollt eins ganz für uns allein, Schneckle.«
    »Aber Frau Müller, dann hättst du mich doch nicht gehabt!«
    »Da hast du recht! Du bist ein kluges Mädchen...«
    »Schneckle!« verbesserte Friederike, »Frau Müller, du darfst nicht vergessen, daß ich heute ein Schneckle bin!« Manfred schloß die Wohnungstür auf und kam zu uns in die Küche.
    »Herr Müller!« Ein schriller Schreckenslaut. »Herr Müller, du hast mein Schneckle verdappt!«
    Er hob entsetzt den Fuß.
    »O Himmel, wie könnt ich wissen, daß hier eine Schnecke rumläuft. War das deine, Friederike?«
    »Schneckle!« verbesserte sie streng, »Herr Müller, du mußt mich heute Schneckle nennen und den Buben kannst du’s auch sagen!«
    »Gut, Schneckle! Du, Malchen, ich leg mich ein bißchen auf die Couch, mir tut der Kopf weh und die Ohren und der Hals...«
    »Dann mußt du gurgeln«, mahnte das Schneckle. »Ich glaube nicht, Frau Müller, daß wir den Doktor holen müssen. Vielleicht hat er einfach zuviel Süßigkeiten gegessen. Leg dich schon mal hin, Herr Müller. Wir müssen noch zu Ende sprechen. Es ist schade, daß du das Schneckle verdappt hast, aber Halsweh hättest du deswegen nicht gleich kriegen brauchen!«
    Manfred veränderte sich auf erschreckliche Weise. Sein Hals schwoll an, seine Backen auch.
    Als Friederike am nächsten Morgen seiner gewahr wurde, schaute sie ihm lange nachdenklich ins Gesicht und kam dann zu mir.
    »Frau Müller, wie heißt das Tier, von dem du mir erzählt hast, das Nüsse und Körner in seine Höhle schleppt?«
    »Meinst du ein Eichhörnchen?«
    »Nein! Es steckt die Körner alle in die Backen, und dann sehen sie so aus wie dem Herrn Müller seine. Wie heißt das Tier?«
    »Hamster!«
    »Ja, und so will ich heute heißen! Frau Müller, warum sieht der Herr Müller aus wie ein Hamster?«
    »Ach, Hamsterle, weil er Mumps hat! Himmel, wie könnt ich das vergessen! Friederike, mach daß du runterkommst! Schnell! Schnell! Und die Mammi soll dir die Hände in Desinfektionsmittel waschen!«
    Friederikes Lippen begannen bedrohlich zu zittern, ihre Mundwinkel senkten sich abwärts, dann kam es in hohem Heulton:
    »Frau Müller, ich heiß Hamsterle! Huuuuu! Warum soll ich machen, daß ich runterkomm? Huuuu! Die Buben sind doch noch nicht da! Huuu! Warum soll die Mammi meine Hände in Desinfe... Huuuu!«
    Ich hob sie hoch, drückte sie trotz Ansteckungsgefahr an mich, wiegte sie hin und her.
    »Komm, Hamsterle, heul nicht! Der Herr Müller hat Mumps, das ist furchtbar ansteckend. Du willst doch nicht aussehen wie ein Hamster?«
    »Doch, ich will!«
    »Aber es tut weh, und man muß ins Bett. Lauf runter, schnell! Wenn ich nachher einkaufen gehe, dann nehm ich dich mit.«
    Das Hamsterle heulte die Treppen
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