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Die Spieler

Die Spieler

Titel: Die Spieler
Autoren: Markus Griesheim
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Die Spieler
    Er versetzte dem Polen einen Schlag ins Gesicht, ein Eckzahn brach aus dessen Oberkiefer, als der
auf den Knöchel des Mittelfingers traf. Der Schmerz in der Faust machte Palmstedt noch rasender.
Er drosch dem Polen einen weiteren Schlag gegen die rechte Wange. Und dann noch einen
Aufwärtshaken unter sein Kinn. Dann fiel Kowalczyk nach hinten über, seine Beine knickten weg,
als wären sie dünne
Hölzer. Noch bevor der Pole mit dem Schädel gegen die Kante der
Marmortischplatte schlug, verlor er das Bewusstsein. Er bekam nicht mehr mit, dass seine
Schädelknochen seitlich zerbarsten, er hörte nicht mehr das Splittern der Knochen, noch spürte er
das Blut, das aus der Wunde austrat und an seinem Gesicht und am Halse hinab bis zu Palmstedts
Füßen entlang des hölzernen Fußboden lief, ein beständig pulsierendes Rinnsal, das um Palmstedt
herum einen Bannkreis zog, aus dem dieser nicht mehr heraus zu treten wagte, die Fäuste noch
immer zum nächsten Schlag bereithaltend, falls der so Gerichtete sich noch einmal erheben sollte.
Dem Polen entfloh noch ein letztes Röcheln, ganz leise, fast lautlos, fast unbemerkt. Dann war er tot
und blass. - Peer Palmstedt war sein Richter. Peer Palmstedt war sein Henker.
    Seine Hand tastet nach dem Wecker. Es ist kurz nach vier Uhr morgens und seine Blase drängt ihn.
Palmstedt steht auf und tapst im Halbdunkel zum Klo. Er versucht zu pissen. Nur widerwillig läuft
der Urin durch die Harnröhre. Es ist zum Glück nicht die Prostata, sagte der Urologe zu Palmstedt,
als dieser sich auf der Liege zur Seite drehen und ein Bein für die Untersuchung anwinkeln musste.
Der Arzt tastete und drückte mit dem Finger. Eine weitere, noch unangenehmere, ihn geradezu
erniedrigende Untersuchung zeigte, dass es die Harnröhre war. Der Urologe drang dabei mit einem
bleistiftdicken und langen Metallstab in Palmstedts Penis ein, dessen Harnkanal er durch eine
Vorrichtung an dem Instrument mittels Wasserzufuhr weiten konnte, schob den Stab Zentimeter um
Zentimeter mit dem nach innen gerichteten Wasserstrahl bis zu der Verwachsung vor, die Palmstedts
Harnfluss staut, wie ein paar Geröllfelsen in einem Wildbach. Eine Verengung, die man Palmstedt
schon einmal wegoperierte, als er noch an der Akademie unterrichtete. Jetzt ist sie wieder zurück
und der Harn tropft zäh und endlos. Palmstedt schüttelt seinen Schwanz. Die Harnröhre brennt
schon seit Tagen wie Feuer, seit er auf dem Folterstuhl lag und vor dem Doktor seine Beine spreizen
musste. Dann kommt ein neuer Schwall. Und ein zweiter. Ein dritter. Die verfluchte Verwachsung
ist wieder da und mit ihr das Feuer in seinem Schwanz. Wie der Traum. Wie das Blut von
Kowalczyk.
    Arka, die Promenadenmischung aus einem sibirischen Husky und vielleicht einem Windhund, ein
weißes Tier mit schwarzbraunen Pelzkragen, liegt im Flur auf ihrer Decke. Sie hat ihren Kopf auf
die Pfoten gelegt. Sie beobachtet Palmstedt, wie er sich ein Glas einschenkt. Nicht von dem guten
18-jährigen Bowmore, dem ihn Henk zu seinem 50sten vorbeibrachte. Sondern von seinem AlltagsBourbon, dem Ol'Glennlidl,
wie er diese Discounter-Marke verächtlich bezeichnet, den, den er
sonst nur zum Mixen von Cocktails nimmt. Zum Besaufen.
    Auch Katja liebte Cocktails. Und Katja liebte seinen Schwanz. Und alles, was Palmstedt damit für
sie tat. Liebt e , denn die Verwachsung ist nicht Palmstedts einziges Problem. Es sind auch die
falschen Freunde der Nacht. Die lustigen Weiber der Sachsenhäuser-Altstadt. Die besoffenen geilen
Schlampen der Hotelbars. Die
Fickhennen und die feuchten Hühner der Cocktailclubs, der
Kaschemmen. Und der Alkohol, der mit ihnen ein her geht. Aber Katja war anders. Ihre Lust galt
ihm. Warum kann sein verdammter Schwanz nicht treu sein? Ihre Liebe seinem wahren Wesen. Warum kann er das Saufen nicht lassen? Katja liegt nun nachts im Bett eines anderen. Eines
Jüngeren. Bei einem jungen Personenschützer ihrer Firma. Einem, der nicht trinkt. Ja, Palmstedt
arbeitet auch noch für Katia. Aber nur noch bei Tage. - Es gibt keine Liebe, die grenzenlos trägt.
    Nach einem zweiten und dritten Glas beginnt Glennlidl zu wirken, Palmstedts Augenlider werden
schwerer, er spürt einen Taumel, der ihn in sich selbst hinein zieht, in eine Nebelspirale aus seinem
tiefsten Innern, die dem Hades seiner traurigen Seele entspringt. Grau und wabernd und kalt. Wie
das Wetter in Ostwestfalen. Wie der Dunst über Detmold nach einem dieser immer
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